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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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erhoben.
    Lenz schwenkte die Pistole. »Das Pferd bleibt hier. Er geht zu Fuß.«
    »Vaschteh nit.«
    »Weg vom Pferd. Dierk, hol die Stute.« Ein Fehler – Lenz sah das tückische Aufblitzen in den Augen des Mannes eine Sekunde zu spät. Dierk streckte die Hand nach den Zügeln aus, und der Kerl sprang auf den Jungen los. Lenz hielt in die Luft und drückte den Abzug durch, die Stute scheute, Dierk tauchte geistesgegenwärtig ab und verschwand im Graben. Der Mann fuhr herum und zog seinen Degen, doch Lenz hatte seinen schon in der Hand. Er freute sich so darauf, sich mit dem Soldaten zu schlagen, dass er alle vernünftigen Gedanken von sich stieß.
    Nach dem ersten Austausch von Attacken war deutlich, dass der Soldat Lenz mit dem Degen nicht ebenbürtig war. Er führte mächtige Hiebe wie mit einem Schwert und versuchte, ohne Raffinesse durch Kraft zum Stoß zu kommen.
    Lenz kannte einen ganzen Fächer von Arten, einen Gegner zu entwaffnen. Der Soldat hatte immerhin Kraft und Aufmerksamkeit genug, um dreien davon zu widerstehen. Der vierte Versuch brachte Lenz den Erfolg; der Degen des anderen flog durch die Luft und rutschte den Hang hinunter in den Graben, wohin Dierk sich geflüchtet hatte. Lenz hielt dem Mann seine Degenspitze an die Kehle. Durch die Anstrengung waren dessen Augen hervorgetreten, sodass er nun glotzte wie ein Fisch.
    »Versteht Er meine Sprache jetzt? Wer schickt Ihn?«
    »Nix Bös gwuit. Hab an Hunger. Brod finden gwuit.«
    »Hier gibt es gerade nur genug Brot für die Leute, die hergehören. Das Pferd war gestohlen und bleibt hier. Seine Waffen leg Er ab, und dann pack Er sich.«
    Lenz blieb dem Soldaten mit seiner Degenspitze dicht auf dem Pelz, während der seine Pistolen und Dolche auf den Boden warf. Einen mörderischen Blick schenkte der Gauner ihm noch aus seinen Fischaugen, marschierte dann jedoch wortlos davon.
    Während Dierk mit dem Degen aus dem Graben kroch, fing Lenz die Stute ein, dann sammelten sie die Waffen auf.
    »Den hättet Ihr nicht laufen lassen sollen.«
    Der Junge klang erschüttert. Lenz sah ihn nachdenklich an. »Hätte ich ihn umbringen dürfen? Kennst du die zehn Gebote? Ohne Not darf ein Mensch den anderen nicht töten. Oder was hätte deine Mutter gesagt?«
    Dierk reichte ihm die letzte Pistole, bleicher im Gesicht als sonst. »Der sie umgebracht hat, hatte davon auch nichts gehört, und die große Not werden wir nun schon haben. Das war doch ein Spion. Der hat genug gesehen. Die ganze Bande wird kommen. Wir müssen die anderen vom Feld holen.«
    »Das habe ich vor. Du nimmst den Schlüssel und läufst hinten zur Tür hinein, so schnell du kannst. Schließ wieder zu und stell dich mit der Erna oder der Grete bereit, um uns das Tor aufzumachen.«
    Ada hatte sich in Christophers Begleitung von Wilhelm Vogt die Ländereien des Gutes zeigen lassen, die in der nahen Umgebung lagen. Der ehemalige Verwalter sprach klug und erfahren von der bisherigen Verwendung der Felder, soweit Ada es beurteilen konnte. Dennoch konnte sie sich nicht recht entschließen, ihn einzustellen. Er hatte so eine Art, die Schultern hoch und die Mundwinkel stramm zu ziehen, wenn sie ihn direkt ansah. Und immer wich er ihrem Blick aus.
    Er wollte anschließend auf den Wiesen bei den Arbeitern bleiben, Ada jedoch wollte zum Haus zurückkehren. Christopher und sie ließen Vogt auf dem bereits gemähten Teil der Wiese vom Wagen steigen, als am Rand des nahen Wäldchens zwei Soldaten auftauchten. Pluderhosen, die über den Knien geschnürt waren, und schäbige Eisenhelme wiesen sie als niedriges Fußvolk aus.
    Die Leute, eben noch mit dem Mähen und Auseinanderwerfen des Grases beschäftigt, hielten inne. Die Angst lief wie eine Welle durch sie; einer wurde durch den Schreck des Nächsten aufmerksam und ruckte mit dem Kopf hoch. Die Männer hoben abwehrbereit die Sensen, die Frauen mit ihren Forken rückten zusammen, und die jüngeren Kinder huschten hinter die Röcke der Frauen.
    Neben Ada auf dem Kutschbock zog Christopher eine Pistole aus dem Gurt und prüfte sie eilig, während alle anderen den beiden Kerlen entgegenstarrten.
    »Es können noch mehr im Wald stecken.« Vogt sagte es teilnahmslos. Ada beneidete ihn ausnahmsweise um seine Kaltblütigkeit. Sie wollte am liebsten den Wagen wenden und dem braunen Wallach davor Beine machen, damit er sie im Galopp zurück hinter sichere Mauern brachte.
    Aber die Menschen auf der Wiese waren ihre Leute, und sie konnte sie nicht allein lassen. Was sie

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