Herrin wider Willen
Luke war klein, aber sie konnte an Lenz vorbei gerade noch nach draußen sehen. Jakob, der hier oben Wache gestanden und sie alarmiert hatte, trat respektvoll beiseite.
Es waren diesmal in der Tat nicht die Lumpenkerle, die ihnen auf dem Felde begegnet waren, sondern sorgfältig gekleidete Männer, die als Offiziere und Begleitung auftraten.
Fourage verlangten sie, das hieß, sie forderten nur in höflicheren Worten, dass die Gutsbewohner ihnen Verpflegung und Futter für das Vieh ausliefern sollten. Ada wusste, dass der Krieg ihnen ein Recht dazu gab, auch wenn sie es nicht einsah. Was ihre Leute von ihrem Land unter so großen Schwierigkeiten erwirtschaftet hatten, das sollte ihnen erhalten bleiben. Leider würden die Soldaten sich mit dieser Ansicht nicht anfreunden.
Einmal hatte Ada den alten Herrn von Bardeleben berichten hören, wie er fouragierende Soldaten zufriedengestellt hatte. Man dürfe sie nie das fetteste Vieh sehen lassen, hatte er gesagt, aber ihnen auch nicht das jämmerlichste geben. Sähen sie das fettgefütterte, wüssten sie genau, dass man noch reichlich habe. Bekämen sie die Krüppel, wüssten sie gleich, dass sie abgespeist wurden.
Ihnen gar nichts zu geben war unmöglich. Aus Mutwillen wäre wohl niemand gegen die Burgmauer angerannt, eine gereizte Horde würde sich jedoch nicht abschrecken lassen. Die Angreifer müssten bloß ein kleines Geschütz herbeischaffen, und dann würde es keine Stunde dauern, bis sie im Haus waren.
Lenz fragte hinüber, was der Oberst für ein Schlachtrind oder ein Jungschwein zu zahlen bereit wäre.
Was der wortführende Offizier bot, war ein lächerlicher Preis, aber dass er überhaupt eine Bezahlung zugestand, zeigte, dass man es nicht mit einer gänzlich verwilderten Truppe zu tun hatte.
Lenz sagte ihm drei junge Rinder und zwei Schweine zu, aber das war dem Soldaten zu wenig. »Damit kann ich nicht zu meinem Oberst kommen. Das wäre ein schlecht ausgeführter Auftrag. Wir brauchen eine Milchkuh, Eier, Korn. Ihr könnt Euch denken, was die Männer tun, wenn sie hören, dass eine gesittete Anfrage so wenig Erfolg hat. Es ist nicht so, dass meine Leute nicht wüssten, wie man es anstellt, satt zu werden.«
Der Sprecher hatte eine hünenhafte Gestalt und machte den Eindruck, noch nie Hunger gelitten zu haben. Er trug einen breitkrempigen Hut, der Lenz’ Respondent ähnelte. Sein Gesicht darunter schien nur aus buschigen Augenbrauen und Vollbart zu bestehen. Wie seine Begleiter war er schwer bewaffnet und auf dem Pferd sitzengeblieben.
Lenz ließ sich von seiner Erscheinung nicht einschüchtern, er richtete sich straffer auf und sprach schärfer. Ada wurde abwechselnd heiß und kalt. Bei dieser Begegnung Zuschauerin zu sein, war aufregend genug. Es war eine grässliche Vorstellung, dass sie einmal selbst eine solche Lage würde meistern müssen. Sie schämte sich dafür, aber sie dankte dem Himmel, dass ihr unfreiwilliger Gatte ihr die Verhandlung diesmal noch abnahm.
»Drohungen holen aus einem trockenen Brunnen kein Wasser«, sagte Lenz laut. »Wir haben nichts abzugeben, was uns danach nicht fehlen würde. Ich teile nur, weil es für mich nicht üblich ist, andere verhungern zu lassen. Ich gebe euch Milch von vier Tagen, alle Eier, die wir haben, und ein paar Tauben und Enten dazu. Korn haben wir keinen Scheffel übrig, wir sind schon herunter aufs nötigste Saatgut.«
Das würde noch nicht reichen, bekam er zur Antwort, und so wurde hin und her geredet, aber Lenz blieb zäh. Ein Ferkel gestand er den Offizieren noch zu, dann gaben sie sich zufrieden. Auf Lenz’ Aufforderung hin zogen sie sich zu ihren Leuten zurück, damit das vereinbarte Vieh und Gut gefahrlos vor das Tor gebracht werden konnte. Nur einen unbewaffneten Mann durften sie dalassen, der die Ware bezahlen und das Vieh beieinanderhalten sollte, bis das Tor wieder geschlossen war.
Von Adas Seele fiel eine Riesenlast, weil es so glimpflich ausgegangen war. Sie staunte, als Lenz sich mit zweifelnder Miene zu ihr umdrehte. »War das zu viel?«
Sie schüttelte den Kopf und rieb ihre Handflächen am Rock. »Nicht wenn wir sie damit losgeworden sind. Du hast das wunderbar gemacht.«
Er zuckte mit den Schultern und sah ihr in die Augen. »Du musst dir überlegen, wie du damit zurechtkommst, wenn …«
Es war Ada unmöglich, ein vernünftiges Gespräch mit ihm zu führen, solange er ihr derart tief in die Augen sah. Sie würde nur stammeln und stottern und noch stärker erröten.
Er hatte
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