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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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er das Schnarchen meinte oder die Nacht ohne Wächter.
    Dierk löste das Problem für sie. Er versuchte bereits, Lenz die Samtweste auszuziehen, die er im Haus statt seines Lederkollers trug. »Ich lege mich innen vor die Tür. Da kommt keiner herein, ohne dass ich es merke.«
    »Gut.« Ada nickte wieder und wollte hinaus.
    Über die Schulter sah Lenz sie an, während Dierk ihm die Weste aufknöpfte, und sein Ton war wieder spöttisch. »Adé, Ada. Adieu, Adamantin. Ruhe sanft und ungestört wie ich.«
    »Übrigens schnarchst du selbst. Wie kann es dich da stören?«, sagte sie und schloss die Tür erheblich lauter hinter sich, als nötig gewesen wäre.
     
    Lenz spürte, wie sich Nebel über seinen Verstand senkte, und war froh, die Frau rechtzeitig fortgeschickt zu haben, bevor ihn der Rausch zu Dummheiten verleitete. »Es kann mich stören, Dierk. Sie ahnt nicht, wie es mich neuerdings stört, wenn ein Mann die gleichen Unarten hat wie ich. Wenn er das Gleiche sieht, denkt, tut wie ich. Wenn er das Gleiche riecht! Ja. Gerade Christopher. Ja. Gerade weil ich was sehe oder … Gerade deswegen stört mich, wenn ein anderer es auch … Nein. Du verstehst das nicht. Ha! Noch nicht. Du bist ein wirklich guter Junge, wusstest du das? Wenn dein Onkel … Wenn er kommt, wird er mich überzeugen müssen … Muss er mir erst beweisen, dass er es wert ist, dich zurückzu… hu … oh.«
    Dierk hatte offenbar Routine in dieser Art Hilfestellung, es war ihm gelungen, das Bett dorthin zu bringen, wo Lenz niedersank. Oder umgekehrt. »Respekt.« Er fühlte sich schläfrig, seine Stimme wurde träge. »Lockt den Stier in den Blumengarten. So eine …«
    Den Rest der Nacht verbrachte er ohne Bewusstsein.
     
    Das Gras stand dürr auf dem Heideboden, aber es war hoch und reif zum Heuen, und besseres Wetter konnte ein Juni dazu nicht bringen. Obwohl die Angst vor den Soldaten und Marodeuren allen im Nacken saß, musste man hinaus auf die Wiesen.
    Zwei Wochen waren seit dem Begräbnis von Lenz’ Vater vergangen. Ada hatte sich in das Leben auf dem Gut eingefunden, und auch wenn es nicht reibungslos für sie verlief, musste Lenz sich der Frage stellen, wie er ihr noch helfen konnte. Tagelang hatte er sich vorgegaukelt, dass seine angeschlagene Gesundheit Grund genug war zu bleiben. Doch sein Knie hatte sich so weit gebessert, dass es ihn nur noch wenig einschränkte. Er konnte nun abreisen oder sich Maßnahmen widmen, die der leichteren Verwaltung des Gutes dienten.
    Den Gedanken an die möglicherweise größte Bedrohung verdrängte er. Sollte sein Onkel weiterhin feindliche Absichten hegen, ließ sich vorbeugend kaum etwas dagegen unternehmen.
    Christopher hatte es mit der Abreise nicht eilig, im Gegenteil. Er schien die Tage auf Wenthe zu genießen und bot sich Ada als Hilfe an, wann immer sich die kleinste Gelegenheit zeigte. Sogar Kredit wollte er ihr geben, damit sie die Zeit ohne Barvermögen überbrücken konnte.
    Lenz wusste, dass es an ihm gewesen wäre, das zu tun, doch es widerstrebte ihm, sein mit Hilfe von Henry Carton erwirtschaftetes Geld in die heruntergekommene Hinterlassenschaft seines Vaters zu stecken. Er wollte das Gut gern hergeben, aber auch noch dafür zu zahlen, ging ihm zu weit.
    Lieber suchte er den Schatz.
    Er hatte sich mit dem Bullenstall geirrt, dort konnte nichts versteckt liegen. Zwar wollte mit dem schwarzen Satan niemand Freund sein, aber sein Vater musste einen anderen Wächter gemeint haben.
    Ada war mit Christopher hinaus auf die Wiesen gefahren, um sich die Heumahd anzusehen. Außer den alten Frauen in der Küche, der von Questenberg, ihrer Magd Grete, ihm und Dierk war niemand im Haus.
    Dierk wich ihm seit jener Nacht nach dem Anschlag nicht von der Seite, er hatte sich zum Schutzengel ernannt. Lenz mochte ihn nicht zurückweisen, obwohl er sich sorgte, dass bei dem nächsten Versuch des Täters dem Jungen zuerst etwas geschehen würde. Um sich selbst hatte er keine Angst. Er war gewarnt und würde sich zu wehren wissen.
    Solange er sich ohne Hast bewegte, tat es seinem Bein gut. Das war zumindest ein ausreichender Vorwand, um die Schatzsuche auszudehnen und bei einem Spaziergang außen um die Mauern herum nach möglichen Verstecken Ausschau zu halten. Wer wusste, ob sein Vater nicht einen Vorteil darin gesehen hatte, Wertvolles außerhalb der Mauern zu verbergen? Vielleicht hatte er an eine feindliche Übernahme des Hauses gedacht und geplant, ein kleines Vermögen darüber

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