Herrin wider Willen
allerdings tun sollte, um ihnen zu helfen, wusste sie nicht.
Die Männer näherten sich den Bauern langsam durchs hohe Gras, wie zwei Wölfe, die sich gemächlich nach neuer Beute umsahen.
Zu Adas Überraschung trat Luise vor, als die beiden in Hörweite waren. »Bleibt stehen und sagt, was ihr wollt«, rief sie mit erhobener Forke.
Tatsächlich blieben die Soldaten stehen, und der eine hob begütigend die Hände. »Brot. Und Milch für die Kinder.«
»Wir haben nichts übrig.«
Ada bewunderte Luise für ihren Mut. Sie wusste nicht, ob sie selbst so würdevoll hätte wirken können. Sie gab Christopher einen Stups. »Wir gehen hinüber.«
Er sah sie an, als wolle er widersprechen, stieg dann aber ab, mit der Pistole in der Hand. Unterdessen sprach der Soldat weiter. »Unsere Frauen und Kinder haben Hunger. Was seid ihr für Christen?«
Wieder gab ihm Luise Antwort. »Wir haben auch Hunger. Und was seid ihr für Christen?«
Ungebeten kamen die beiden Männer einige Schritte näher. »Wer hat denn in heutigen Tagen sein Los schon gewählt? Ihr werdet doch wissen, dass man besser teilt.« Seine Stimme bekam einen drohenden Unterton, er griff an seinen Waffengurt.
Ada begann zu laufen und zog Christopher mit sich. »Halt«, rief sie so laut und herrisch wie möglich. Sie war überrascht, wie weit ihre Stimme trug. Die Soldaten zuckten nicht mit der Wimper, aber immerhin hielten sie an. Beide zogen Pistolen aus den Bandeliers.
Nun fand Ottman seine Sprache wieder, das Narbengewebe an seinem Gesicht leuchtete rot. »Schießt, und der Rest von uns schlägt euch tot.«
Alle mit Sensen und Heugabeln ausgerüsteten Leute murmelten zustimmend, hoben die Waffen höher und traten einen Schritt vor. Die Soldaten traten zwei Schritte zurück, ohne jedoch besorgt zu wirken.
»Macht, dass ihr wegkommt«, sagte Luise.
Der Wortführer der beiden grinste sie an. »Du hast hier doch gar nichts zu sagen. Wir wollen hören, was der Herr da zu sagen hat.« Er schwenkte die Pistole zu Christopher hinüber und zielte dann wie zufällig auf Ada.
Die Erinnerung an Lenz’ Schusswunde stieg in ihr auf, ihr blieb fast das Herz stehen vor Angst, und sie schätzte sich nur glücklich, dass sie nicht so eine lose Blase hatte wie ihr Pate Stechinelli. Es war ihr ein Rätsel, warum sie nicht ganz gelähmt war, aber sie konnte noch handeln. »Verschwindet von meinem Land«, sagte sie, und ihre Stimme zitterte kaum. »Wenn euer Hauptmann Verpflegung zu kaufen wünscht, dann soll er mit einer höflichen Bitte in eigener Person beim Haus erscheinen. Auf solche wie euch schießen wir ab heute, bevor wir fragen.«
Die Soldaten sahen sie erstaunt an. »Weibsleute mit so großem Mundwerk kriegen es bei uns gestopft«, sagte der eine schließlich, doch einen Hauch von Verunsicherung merkte man ihm an. Die Bauern bewegten sich langsam vor, und die zwei gingen rückwärts.
Ein Schuss dröhnte und lenkte die Aufmerksamkeit aller auf einen Reiter, der in gestrecktem Galopp über die Wiese auf sie zujagte. Für die Soldaten gab das den Ausschlag: Sie kehrten um und rannten zum Wäldchen zurück.
Der Reiter verfolgte sie nicht, sondern hielt bei den Bauern an. »Zurück zum Haus! Es wimmelt überall von den Gaunern.«
Diesmal stieß Ada sein Ton nicht auf, sie war zu froh, ihn zu sehen. Lenz war zerzaust und verschwitzt, und sie fragte sich, woher er das fremde Pferd hatte, aber auf die Erklärung wollte sie gern warten, wenn er ihr nur half, alle zusammen sicher auf den Hof zu bringen.
Während die Bauern schon das Werkzeug aufluden und sich mit angespannten, ängstlichen Gesichtern zur Flucht anschickten, stand Ottman noch da und sah zum Waldrand. »Dootslagen weer bäter wesen.«
»Ach, hör doch auf«, sagte Luise. »Pack dien Fork und komm.«
Die Sache mit den Soldaten hatte sich damit nicht erledigt, Ada hatte es geahnt. Zehn von ihnen tauchten am späten Nachmittag vor dem Gutstor auf, zwanzig weitere hielten in Sichtweite.
Jeden Tag wurde ihr deutlicher, auf was für ein Unterfangen sie sich einließ, wenn sie mit dem Gesinde allein auf dem Gut blieb. Sie konnte nicht einmal eine Pistole laden, und in einer Verhandlung mit ungesitteten Männern hatte Luise ihr Mut voraus und würde dennoch verlieren.
Sie war erleichtert, dass Lenz nicht fragte, ob sie sich selbst mit den Soldaten unterhalten wollte. Er stieg gleich auf den Turm und trat an die Verhandlungsluke.
Ada folgte ihm, auf der engen Treppe durch ihr Kleid behindert. Die
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