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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Jagd?«, erkundigte Ada sich, doch da wurden die Frauen rot.
    »Jagen hat der gnädige Herr nicht geduldet. Das steht uns nicht zu.«
    Ada stellte ein braunes Steingutfass für Sauerkraut zurück in das Regal und wandte sich den Frauen zu. »Ich habe das Jagdrecht auf meinem Land und darf bestimmen, dass eure Männer auf die Jagd gehen sollen, so gut sie eben können. Nur müssen die Hasen in der großen Küche landen, damit alle etwas davon bekommen.«
    Sie erntete ungläubige Blicke. »Wird das dem jungen Herrn Graf denn recht sein?«
    »Der junge Herr Graf wird nicht hier sein. Sollten die Hasen auf den Herrn warten, würden sie darüber grau werden und das Hakenschlagen verlernen.«
    Die Frauen lachten, aber Ada hörte eine leichte Unsicherheit darin, als könnten sie es sich nicht recht vorstellen, ohne einen Herrn zu leben.
     
    Die Furcht vor den Soldaten war berechtigt. Das bestätigte sich, als am Abend der Schäfer ans Tor kam, unter jedem Arm ein hungrig blökendes Lamm.
    Er hatte den Soldaten kampflos die letzten achtzehn Schafe überlassen, nachdem sie seinen Hund totgeschlagen hatten. Die beiden schwachen Lämmer waren nur übriggeblieben, weil er sie auf seinem Karren gehabt hatte, um sie vor den Füchsen zu schützen und vor dem alten Wolf, der manchmal aus den Wäldern geschlichen kam.
    Ada bot ihm Schutz und Unterkunft an und beschimpfte sich innerlich dafür, dass sie nicht früher daran gedacht hatte, ihn mit den Schafen hinter die Mauern zu holen. Die Hälfte der Herde hatte ihr gehört.
    Bei dem Gespräch, das sie mit dem Schäfer auf dem Hof führte, spürte sie Lenz’ Blicke, die sich in ihren Rücken bohrten, als würde auch er sie stumm für die Sache beschimpfen. Dabei hatte er den einsiedlerischen Schäfer selbst vergessen.
    Mochte ihm ruhig alles missfallen, was sie tat, dachte sie dann. Je mehr er sich darüber ärgerte, dass sie ohne ihn entschied, desto besser. Je unzufriedener und garstiger er sich deswegen verhielt, desto weniger Mühe würde sie haben, sich nachts im Bett daran zu erinnern, dass sie ihn nicht leiden konnte.
    Zu ihrem Leidwesen konnte sie an dieser Gewissheit tatsächlich nur genau so lange festhalten, bis sie im Bett lag. Dann stellte sie fest, dass sie sich trotz allem nach ihm sehnte.
    Sie hatte die Kerze noch nicht gelöscht, beobachtete die tanzenden Schatten auf dem hellen Stoff des Betthimmels. Gelb war er wohl einmal gewesen, mit zartgrünen Ranken, nun war er ausgeblichen und von derselben Farbe wie Zeltleinwand im Mondlicht.
    Es half nichts, sie wurde ihren Kummer nicht los.
    Sicher lag es nur daran, dass jener Mann, an den sie besser keinen Gedanken mehr verschwenden sollte, zu einer Zeit in ihr Leben geplatzt war, in der sie sich ohnehin nach jemandem gesehnt hatte. Sicher lag es gar nicht an ihm.
    »Dann wende dich doch Christopher zu«, sagte eine feine, gehässige Stimme in ihr, »den kannst du wahrscheinlich haben.«
    Sie seufzte. Früher, bei den von Bardelebens, hatte sie sich bei Kerzenschein an ihr Stickzeug gesetzt, wenn sie nicht schlafen konnte. Sie hatte immer Kerzenreste dafür gesammelt.
    Ihr Handarbeitszeug lag in dem großen Deckelkorb in der Zimmerecke. Seit sie aus Celle abgereist war, hatte sie es nicht angerührt. Sie würde es auch jetzt nicht hervorholen.
    Das anstößige Buch von dem Italiener zu haben, wäre nun gut, dachte sie, das hätte sie gewiss abgelenkt. Dann fiel ihr etwas Besseres ein: die Briefe aus der Spielzeugschachtel.
    Bevor sie den Einfall in die Tat umsetzen konnte, spuckte und zischte ihre Kerze und verlosch wegen des schlechten Talgs oder des schlechten Dochtes. Bei den von Bardelebens hatten zu besseren Zeiten in den Herrschaftsräumen nur Wachskerzen gebrannt. Sie ertappte sich dabei, dass sie sich dorthin zurückwünschte, obwohl sie sich aus jenem Haus, über ihr Stickzeug gebeugt, stundenlang fortgeträumt hatte. Nun erschien ihr das Haus des kalten, steifen Großvaters Bardeleben und der mürrischen, verkniffenen Großmutter wie ein sicherer Hafen. Aber es gab kein Zurück.
    Es half nichts. Sie war entschlossen, die Briefe zu lesen, also brauchte sie eine neue Kerze, und die fand sie am leichtesten in der Küche.
    Nachts war sie noch nie in der Küche gewesen. Erst vor der Tür fiel ihr ein, dass eine von den alten Frauen vielleicht auf der Bank schlief. Für Köchinnen und Küchenmägde war das üblich, und sie mochten es den klammen, schimmligen Kammern des Gesindeflügels im Obergeschoss vorziehen.
    So

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