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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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würde sie eben schleichen, dachte Ada und öffnete die Tür.
    Eine alte Frauenstimme summte ein monotones Lied. Es war die Behnsche. Sie hatte sich einen Stuhl an die offene Ofenklappe gestellt, von wo ein sparsames Feuerchen mehr Wärme als Licht verbreitete, und strickte. Ohne hinzusehen verarbeitete sie mit flinken Nadeln dünne, dunkelbraune Wolle zu langen Strümpfen. Ada hatte ihre saubere Arbeit schon früher bewundert.
    »Guten Abend, Behnsche.«
    Das Summen brach ab, einen Augenblick war alles still bis auf das hölzerne Klappern der Stricknadeln.
    »Hmm, hm, hm. Frau Agnes. Haben wir Kummer?«
    Ada schwieg gebannt, stellte die Behnsche nicht richtig, doch die tat es gleich selbst. »Vergebung, gnädige Frau. Welkmal is’n Dörchenanner in mien Kopp. Do sünd se denn all wedder dor.«
    Ada verstand sie inzwischen recht gut, nur dann und wann konnte sie sich auf verschluckte Silben keinen Reim machen. Ihr Eindruck war, dass im Kopf der alten Frau nur selten ein »Dörchenanner« herrschte. Sie schloss die Küchentür hinter sich, rückte einen zweiten Stuhl an den Ofen, setzte sich und zog ihren Umhang zurecht. »Du hast wohl viele Menschen hier gekannt, Behnsche?«
    »Ja, ja. Alle habe ich sie nicht selbst gekannt, aber die Geschichten, die schon. Die hat mir meine Mutter hier in der Küche erzählt. Noch von wo der Herr von Wenthe ein Ritter war, in all seinem Eisenzeug. Ein räuberischer Mann war das, hat einfach genommen, was er wollte. Gegruselt hab ich mich als lütte Dirn vor dem. Wusst’ ich noch nicht, wie schlimm alles kommen wird, mit dem Land.
    Keinen Freund auf der Welt hat der Ritter gehabt. Aber vierzehn Kinder. Da, in der Kapelle liegen sie alle, die Kleinen wie die Großen. So viele tote Kinder liegen hier auf dem Fleck. Ich hoff immer, die haben keinen Groll. Manchmal sehe ich die blassen Gesichter, wie sie böse sind. Ganz bange wird mir da.«
    Ada beugte sich vor und tätschelte ihr das Knie. Erschreckend dürr fühlte es sich unter dem grauen Rock an. »Warum hätten die Kinder denn einen Groll? Gab es hier so viel für sie zu leiden?«
    »Hm, hm. Datt die lütten Kinners Engel sind, das sagt man ja nur so, nech? In Wahrheit können die meisten auch eigensüchtige Biester sein und haben immer einen Groll. Hatten gewiss auch noch nicht Verstand genug einzusehen, was ihnen alles erspart blieb, dadurch, dass der Herrgott sie früh zu sich nahm. Ich wär ja manches Mal schon dankbar gewesen, wenn er’s für mich getan hätt’.
    Nehmt mal den Bruder vom jungen Herrn, der hat leben wollen, bis zum Schluss, obwohl er gelitten hat. Geschrien hat er, der Pastor soll weggehen, als der für den letzten Segen kam.«
    »An was ist er denn gestorben?«
    »Bauchkrämpfe hatte er. Lag eine Woche damit. Ich seh die Frau Agnes noch am Bett sitzen, weißer als die Laken. Wenn eine nur zwei Kinder hat und keines verloren, dann ist sie noch weich. Andere habe ich auch schon gesehen, die waren es nicht mehr, und das ist noch nicht so lange her. Aber davon wollen wir man nicht reden, sonst denken gnädige Frau noch, ich wär respektlos. Steht unsereins ja auch wirklich nicht zu, sich über die Wege der Herrschaften zu wundern.«
    Ihre Stricknadeln hatten die ganze Zeit weitergeklappert, während sie sprach, und taten es auch nun, als sie schwieg.
    Ada fühlte sich noch wacher als zuvor, und sie ahnte, dass die alte Frau nur auf eine Genehmigung wartete, um weiterzuerzählen. »Ich werde dir die Wahrheit nicht übelnehmen. Wessen Kinder sind denn hier in letzter Zeit gestorben?«
    »Hm, hm. Wenn ich Euch das erzähle, darf es Euch nicht gegen den jungen Herrn einnehmen. Ich seh nicht mehr gut, aber so viel doch, dass er keine Ähnlichkeit mit seinem Vater hat.
    Einmal saß er hier bei mir in der Küche, seit er ein Mann ist, über die Seele kann man da nicht viel wissen. Aber als Junge hat er öfter hier gesessen, da war er ein Guter. Hatte ein weiches Herz, mehr als sein Bruder, obwohl der als kleines Kind auch nicht böse war. Sie hatten eine freundliche Mutter, das merkte man.
    Und der alte Herr Ludwig war da auch noch nicht so hart. Das fing erst an, als der Rudolph ins vernünftige Alter kam, und dann sollte er lernen und konnte es aber nicht so gut, wie der Herr wollte. Da wurde es manchmal arg. Ich glaube, deshalb hat Frau Agnes den Kleinen weggeschickt, nachdem der Große tot war. Da kam der Krieg recht. Sie war ja denn auch schon krank, und auch wenn es den Jungen hart ankam, er ist wohl so besser

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