Herrin wider Willen
einen Rest Brot auf seinem Brett.
»Wir haben nicht zu viel Brot«, sagte sie scharf.
Sein Kopf zuckte hoch, nun sah er sie an, dafür wich sie aus und tat, als bemerkte sie seinen Blick nicht. »Hast du oder hast du nicht? Muss ich es für dich tun?« Ungehalten und übel gelaunt war seine Stimme.
Ada schnitt sich eine dicke Scheibe von dem harten Käselaib ab. Es ging schwer, doch der Zorn gab ihr Kraft. »Ich werde zurechtkommen. Ohne Vogt. Und ohne dich.«
Ein Ruckeln, Scharren, Klirren. Unbeherrscht hatte Lenz sein Schneidebrett von sich geschoben und sich im Stuhl zurückgeworfen. »Wenn du Vogt nicht wieder einstellst, bist du nicht bei Vernunft.«
Christopher räusperte sich und hob beschwichtigend die Hand. »Lenz …«
»Was? Willst du sagen, sie ist nicht klüffelwitzig, wenn sie den Mann wegschickt? Als würden fähige Männer in diesem Land noch leicht zu finden sein. Wer soll dich den Kaufleuten oder Bauern gegenüber vertreten, Konrade? Oder den Soldaten? Ich bestehe darauf, dass du Vogt einstellst, und damit ist die Sache beschlossen.«
Ada legte die Hände flach auf den Tisch, richtete sich auf und begegnete seinem Blick. »Auf meinem Besitz beschließe ich selbst. Nicht du.«
Er fuhr in seinem Stuhl hoch, richtete sich ebenso auf wie sie. Erst fiel seine Faust mit gebremster Kraft auf den Tisch, dann drohte er mit dem Zeigefinger. »Beschließe selbst, wenn ich fort bin, du grünes Weibsbild. Dann muss ich den Schaden nicht mehr sehen.«
Entrüstet zog Ada die Luft ein. »Willst du keinen Schaden sehen, dann sieh einfach zu, dass du schneller fortkommst, du überheblicher …«
»Ada!« Mit gequälter Stimme bremste Christopher sie, dann wandte er sich an Lenz. »Du kannst ihr nicht vorschreiben, dass sie mit dem Mann einig wird. Ich finde ihn selbst nicht angenehm und würde …«
»Wer sagt, dass er ihr angenehm sein muss? Es geht ums Geschäft, und wo es ums Geschäft geht, da muss einem ein Mann nicht angenehm sein. Nicht wahr, Ada?«
Ada war so wütend, dass ihr Herz hämmerte. Am liebsten hätte sie ihren Becher nach Lenz geworfen und das Brett gleich hinterher. »Ganz recht, so geht es mit den Geschäften. Aber wenn ich einen Wagen von einem unangenehmen Mann gekauft habe, dann lasse ich mir von dem gewiss nicht vorschreiben, welches Pferd ich davorzuspannen habe.«
Das verschlug den Männern die Sprache, nur Dierk fing an zu husten, er hatte sich verschluckt. Er hustete, bis er einen roten Kopf bekam vor Atemnot und Ada besorgt aufstand, um ihm den Rücken zu klopfen. Dabei hatte sie den Verdacht, dass der Junge nur deshalb mit dem Husten nicht aufhören konnte, weil er zwischendurch lachen musste und das nicht zeigen wollte. Sanft zog sie ihn am Arm hoch. »Geh in die Küche und trink etwas Wasser.«
Anschließend nahm sie ihr Brot, ihren Käse und ihren Becher mit Dünnbier, um ihm zu folgen.
Christopher war sichtlich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, mit ihr zu gehen und dem, bei Lenz zu bleiben. Er blieb, und Ada verließ den Raum, mit schwachen Knien, doch auch ein wenig stolz darauf, sich behauptet zu haben.
Sobald sie aus der Tür war, ließ Lenz sich wieder gegen seine Stuhllehne zurückfallen.
Der Tag hatte schlecht begonnen und war erwartungsgemäß schlecht weitergegangen. Eine ganze schlaflose Nacht hatte Ada, Ada, Ada ihn so gequält, dass er die Hand zwei Mal an seiner Türklinke gehabt hatte, um zu ihr zu schleichen und es darauf ankommen zu lassen; so gequält, dass er sich aus der Not heraus schließlich anderweitig hatte behelfen müssen.
Es hatte nichts genützt. Beim ersten Licht war er wieder aufgestanden, hatte in den kleinen Spiegel gesehen, den sein Vater neben der Tür hängen hatte. Manche Prediger in England behaupteten, der Teufel hätte den Spiegel erfunden. Nun, der Teufel hatte vielleicht den für die Schönheiten erfunden. Die Spiegel für den Rest der Menschheit waren Gottes Strafe oder seine Mahnung zur Demut. Er hatte überlegt, ob Ada ihn äußerlich anziehend fand, und es bezweifelt.
Und nun hatte sie ihm bestätigt, dass sie ihn auf keine Art anziehend fand. Er konnte sich glücklich preisen, dass er es in der Nacht nicht bei ihr versucht hatte. In seinem Zustand wäre er ihr womöglich an die Kehle gegangen, wenn sie ihn so abgefertigt hätte. Wo war sie hin, seine Vernunft?
»Ich weiß nicht, was mit dir los ist.« Christopher war bleich und sah ihn vorwurfsvoll an. »So kenne ich dich nicht, und ehrlich, so will ich
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