Herrin wider Willen
Hochwohlgeboren Graf Ludwig seinen Entschluss, mich fortzuschicken, zum Besseren bedacht hätte, das ist richtig. Rein aus brüderlicher Sorge tat er das.«
»Das bezweifle ich stark«, mischte Lenz sich ein, dann wandte er sich an Ada. »Habt Ihr ihm schon mitgeteilt, dass seine Dienste nicht mehr gebraucht werden?«
»Er hat den Wunsch geäußert, dennoch zu bleiben und niedrige Dienste zu leisten.« Ada ärgerte sich; kaum war Lenz im Raum, fingen ihre Hände an zu zittern, und ihre Stimme verlor an Bestimmtheit. Dabei hatte sie sich bisher gut geschlagen. Nun würde er sie wieder als zu schwach ansehen. Wenn er jetzt gegen sie sprach und ihr vor den Leuten riet, Vogt zu behalten, würde sie sich nur schwer durchsetzen können.
Er trat an ihre Seite, Vogt und Grete gegenüber. »Ihr werdet ihm mitgeteilt haben, dass seine Dienste hier in keiner Weise gebraucht werden. Nicht wahr, meine Liebe? Und ich hoffe, Ihr habt das Gleiche bereits Grete mitgeteilt, auch wenn Euer Herz weich ist. Sicher wird mein Onkel der ganzen Familie Unterschlupf bieten. Samt Seiner Tochter, Vogt. Oder was meint Er? Wird Graf Ferdinand nicht gastfrei genug sein, auch das mutterlose Kind durchzufüttern?«
Nun war es um Vogts gleichgültige Miene endgültig geschehen, seine Gesichtszüge waren in Bewegung gekommen, und sein Adamsapfel zuckte wild. »Wie kommen der gnädige Herr Graf zu solcher Mutmaßung? Ich habe mit dem Kind nichts zu tun. Es ist vielmehr ein gemeines Gerücht, dass sie …«
Nun wurde er seinerseits von Gretes Hand gebremst. »Wilhelm! Willst du sie etwa hierlassen? Wenn du sie jetzt verleugnest, hast du kein Recht mehr auf sie.«
Mit einem wütenden Ruck machte er seinen Arm von ihr frei. »Du willst sie mehr als ich. Was soll ich mit ihr anfangen?«
Grete verzog voll Ekel den Mund. »Was bist du für ein kalter Fisch! Du hast gesagt, es wäre dir ein Trost, dass ich auf sie Acht gebe.«
Lenz lachte spöttisch auf. »Ein weichherziges Frauenzimmer, fürwahr. Vielleicht erinnert Sie sich nächstes Mal daran, bevor Sie jemanden niederschlägt.«
»Was?« Vogt packte Grete mit der Linken am Arm. »Ist das wahr?«
»Ich weiß nicht, wovon er redet.« Gretes Stimme war schrill.
Vogt schüttelte sie. »Du warst es. Nicht sie.« Er zeigte auf Luise. »Du warst mir ungehorsam. Und du hast gelogen.« Er gab ihr mit der Rechten eine Ohrfeige, die ihren Kopf zur Seite schleuderte.
Unwillkürlich traten Lenz, Ada und Ottman vor, um ihn von weiteren Schlägen abzuhalten, doch er trat mit ihr zurück und wehrte mit ausgestrecktem Arm ab. »Es ist mein Recht«, sagte er kurzatmig. »Die kleine Hexe ist mit mir verheiratet. Mord, ja, verflucht. Das treibe ich ihr mit dem Gürtel aus.«
»Du wolltest und wolltest nichts tun«, kreischte Grete. »Nun siehst du, was du davon hast.«
Er schlug wieder zu; Ada schrie auf. »Nun ist es genug.«
Lenz stimmte zu. »Luise, geh mit Grete, packt Aegidias Sachen und holt das Kind. Danach reisen diese Leute ab. Ottman, sieh zu, dass sie hinausfinden. Wird einer von ihnen noch einmal auf unserem Land entdeckt, bringe ich das Weib wegen versuchten Mordes vor den Richter.«
Vogts Blick auf Grete war schlimmer als ein schwarz drohendes Unwetter. Ihre Augen waren so angstgeweitet, als er sie losließ, dass sie Ada beinah doch leidgetan hätte. »Vogt«, sagte sie. »Denk Er daran, dass Grete dem Kind eine Mutter ist.«
Dann waren sie alle hinaus aus dem Saal, und sie blieb mit Lenz allein.
»Verzeih mir«, sagte er und sah ihr auf diese beunruhigende Art in die Augen, die sie immer ganz wirr machte. »Ich weiß nicht, was mich treiben konnte, ihn dir zu empfehlen.«
»Woher weißt du, dass es Grete war, die dich niedergeschlagen hat?«
»Dierk. Der kleine Halunke weiß jede Antwort, wenn man die richtigen Fragen stellt. Er hat Vogt und Grete im Stall belauscht und glaubt, dass Grete Cornelia umgebracht hat. Sie hat sich über ihre Herrin beschwert. Der Junge konnte mir das Gespräch wiedergeben, als hätte er es auswendig gelernt. Ich habe daraus allerdings nicht abgeleitet, dass sie Cornelia, sondern mir etwas angetan haben könnte. Grete ist der Überzeugung, dass sie allen anderen Frauen überlegen ist und sie leicht beherrschen könnte, wenn sie nur in der richtigen Position wäre. Sicher war ich nicht, dass sie mir den Schlag versetzt hat, aber der Diskurs eben hat wohl alles geklärt.«
»Warum hat Dierk nicht von sich aus etwas gesagt?« »Ich denke, er hat mit einem Mann
Weitere Kostenlose Bücher