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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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vorstellen, dass mein Vater derartige Gefühle bei ihr ausgelöst hat.«
    »Und wenn dein Vater nicht Ludwig von der Wenthe war, Lenz?«
    Entrüstet hob er beide Hände und wehrte ab. »Das ist genug, hör auf. Wen willst du noch alles der Unzucht beschuldigen? Klage meinen Vater an, und ich stimme zu, klage Grete an, und du hast sicher recht. Klage mich an, und ich gestehe, dass ich kein musterhaftes Vorbild bin. Meine Mutter lass in Frieden.«
    Ada ging zur Tür, nun riss es ihn aus dem Stuhl hoch. »Ada …«
    Sie lächelte traurig. »Ich vermute, sie hätte es nicht geleugnet, wenn du je dazu gekommen wärst, sie zu fragen. Sie war in deinen Vater verliebt.«
    »Warte!« Aber sie ging und schloss die Tür, und er konnte sie schlecht durchs Haus verfolgen. Oder konnte er doch?
    Auf der Treppe holte er sie ein, auf der verdammten Treppe. Sie wartete kurz auf ihn, dann gab sie ihm den Ring, den Christopher für ihn auf dem Lagerplatz des Söldnerheeres gegen seine bessere Hose eingetauscht hatte.
    Er war so betroffen, dass er stehenblieb. Sie lief weiter und schloss ihre Kammertür hinter sich, während er zu dem Schluss kam, dass die Schlacht verloren war und ihm nichts eingebracht hatte außer heilloser Verwirrung. Sein Elend wurde auf die Spitze getrieben, als Christopher aus dem Kleinen Saal kam und mit einem Blick der Verachtung an ihm vorbei die Treppe hinauf und in sein Zimmer ging.
    Er steckte den Ring in seinen Hosensack, seufzte und kehrte gebeugt ins Kabinett zurück.
     
    Dierk hatte aufgehört, den Schutzengel des jungen Herrn zu spielen, nachdem er gesehen hatte, wie gut der den Degen schwingen konnte. Außerdem war der Herr vorsichtig geworden und aufmerksam, seit er gewarnt war. Leider schien er das an diesem Abend wieder vergessen zu haben, denn schon beim Abendessen schenkte er sich viermal häufiger Wein nach, als er es sonst getan hätte. Am Tod der von Questenberg lag das sicher nicht, sondern an den Streitereien. Auf der dicken Luft, die zwischen ihm, dem Herrn Christopher und der gnädigen Frau herrschte, konnte man ja einen Becher abstellen. Sie sprachen das ganze Essen über kein Wort miteinander. Nicht einmal der Herr Christopher mit der gnädigen Frau, was sie sonst immer taten.
    Es war so bedrückend, dass ihm der Hals richtig eng wurde und er kaum schlucken konnte. Schmecken tat es ohnehin nicht, es gab eine alte Ente, und sie war schlecht gerupft. Ihn ekelte vor den Federkielen.
    Selbst beim größten Hunger ekelte ihn manches so, dass er es nicht herunterbrachte. Sein Onkel hatte ihn immer dafür aufgezogen und gesagt, er würde eines Tages vor einem vollen Teller verhungern. Aber am Ende hatte er ihm doch etwas anderes beschafft.
    Sein Onkel wusste, wie man überlebte, er war gerissen. Mehr als der junge Herr, aber der war eben wohl zu vornehm für manche Kniffe und deshalb nicht auf alles gefasst.
    So wie der Herr trank, war es besser, die Nacht wieder einmal in seiner Nähe zu verbringen. Die vorigen Nächte hatte Dierk heimlich im Stall geschlafen, der Geruch war ihm lieber als der des dumpfen Zimmers, und interessanter war es dort auch. Bis auf die vergangene Nacht natürlich, als er den Sturz der von Questenberg verpasst hatte.
    Er wollte wetten, dass das kein Unfall gewesen war, aber er konnte schweigen. Schweigen war ein wichtiger Kniff der Überlebenskunst. Erst wenn man ihn fragte, würde er reden. Bis dahin sollte niemand ahnen, dass er etwas gesehen hatte.
     
    Eineinhalb Flaschen Rotwein trug Lenz nach dem grauenvollen Abendessen in sein Zimmer. Es war der ganze Rest von der Sorte, die er zu schätzen gelernt hatte, und er würde sie mangels guter Gesellschaft allein austrinken.
    Der Junge schien das zu ahnen. Seit langer Zeit blieb er zum ersten Mal wieder bei ihm kleben, bereit, sich wie ein Wachhund auf die Türschwelle zu legen und auf den unverständigen Herrn aufzupassen. Dabei sollte es umgekehrt sein.
    Nach dieser Einsicht nahm Lenz Abstand von der noch nicht angebrochenen Flasche Wein und lud den Kleinen stattdessen an den Tisch ein, auf eine Partie Karten zur Zerstreuung.
    Sein Vater hatte ein Kartenspiel im Schrank gehabt, ein gut erhaltenes deutsches Blatt mit gerüsteten Rittern als Untern und hübschen, farbenprächtigen Damen als Obern.
    Hatte Lenz sich zuerst als der Erwachsene gefühlt, der sich nachsichtig auf ein Spiel mit einem Kind einließ, drehte sich dies bald um. Sie spielten um die Kipper- und Wippermünzen, die sie zuvor aufgeteilt hatten, und

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