Herrin wider Willen
eine Rotte Offiziere vor dem Tor haben, wenn der Regen anhält. Der alte Herr wusste, wie man mit ihnen umgeht und sie wieder loswird, aber der kann uns nicht mehr helfen.«
»Wir lassen sie eben nicht herein.«
»Sie werden einen Einquartierungsschein mitbringen, der ihnen das Recht gibt. Herzogliche Order.«
»Wie oft ist so etwas hier schon passiert?«
»Zweimal. Ihr möchtet das nicht erleben, wenn kein Herr im Haus ist.«
Ada sah auf Luises Filzpantoffeln, die sie im Haus anstelle der lauten Holzpantinen trug. Von Luise hatte sie als Letztes erwartet, dass sie einen Herrn vermisste, aber natürlich war es schiere Vernunft, dass sie es tat. »Die jungen Herren werden uns helfen können. Bis sie zurück sind, könnten wir die Kerle doch abweisen, oder nicht?«
Luise sah sie ungläubig an und schüttelte den Kopf. »Die jungen Herren werden nichts anderes tun können als mit denen zu trinken, bis der Keller leer ist. Was haben sie für Macht? Man muss schon wissen, wie man solche Männer packen kann, damit sie einem gefällig sind. Ich weiß nicht genau, wie der alte Herr das beim ersten Mal gemacht hat, aber beim zweiten Mal hat er seinen eigenen Stall angezündet, um die Bande aus dem Haus zu schaffen. Dabei hat er Zeter und Mordio geschrien, dass sie ihm Feuer gelegt hätten.«
Ada riss die Augen auf. »Er hat ihn selbst angezündet?«
»Ja, drinnen hat er den Betrunkenen gespielt, und zwischendrin ist er mit Zunder in den Stall, nüchtern wie eine Forelle. Die Offiziere hatten ihre Pferde da drin, deshalb sind sie aus dem Haus gerannt. Danach hat er sie aus dem Haus ausgesperrt. Wahrscheinlich sind sie abgerückt, weil sie mit dem Brand nichts zu tun haben wollten. Er wird schon gewusst haben, womit er drohen konnte.«
»Das war das Feuer, aus dem Ottman Pferde gerettet hat? Ich muss sagen, ich hätte gedacht, der Herr ist verrückt.«
»Den Stier hat Ottman gerettet. Dafür hat er sich verbrannt, für das schwarze Biest. Die eigenen Pferde hatte der Herr vorher selbst herausgebracht.«
Nicht nur das feuchte Kleid ließ Ada frösteln. »Es hätte alles niederbrennen können. Das ganze Anwesen.«
»Ich sag ja nicht, dass er nicht verrückt war. Auf der anderen Seite wollte er den alten Stall sowieso weghaben, und es war Regenwetter.«
»Zu solchen Mitteln werden wir aber besser nicht greifen. Ich werde darüber nachdenken, wie wir am klügsten vorgehen, falls sie tatsächlich kommen.«
Luise nickte, ohne es zu meinen. Ada wusste genau, dass die nur wenig jüngere Frau keinen Grund hatte, ihr viel zuzutrauen. Für den Moment freute sie sich schon darüber, dass Luise ihr gegenüber gesprächiger geworden war. Vielleicht war mit ihrem letzten Zornesausbruch der Damm in ihr gebrochen, und sie konnte deshalb offen über ihre Angst sprechen.
Mit der neuen Sorge im Kopf ging sie in ihr Zimmer und zog sich um. Einen Moment zögerte sie, dann legte sie ihren Kragen wieder an. Bei der Arbeit hatte sie ihn nicht getragen. Lenz mochte ihn nicht, so viel hatte sie begriffen, aber ihr gab das gewohnte Kleidungsstück Sicherheit und das Gefühl von Würde. Dabei war die Spitze wie all ihre Kleidung längst nicht mehr sauber. An Wäschewaschen war nicht zu denken, es sei denn, sie wuschen bei schlechtem Wetter und trockneten die Wäsche im Saal vor dem Kamin. Das allerdings würde Holz vergeuden, was sie darauf brachte, dass auch Holz geschlagen werden musste, wenn es bis zum Winter trocken sein sollte. Die großen, hohen Räume des Gutshauses waren schwer zu heizen.
Andererseits würden fast alle Räume leerstehen. Sie konnte ins Untergeschoss ziehen, sodass für ihren Bedarf nur ein Raum geheizt werden musste.
Und wenn sie nicht blieb? Vielleicht nahm Lenz sie wirklich mit nach England. Wozu dann die Mühe mit dem Gut? Weder Luises Schwester und ihr Kind würden sich finden, noch ein neuer Verwalter, dachte sie. Und wie lange würde Luise es allein schaffen?
Sie öffnete den Deckel ihres Handarbeitskorbes, betastete ihre angefangenen Stickereien und fragte sich, ob sie sich je wieder ruhig genug fühlen würde, um sich damit zu beschäftigen.
Der Regen ließ nach, es wurde heller. Nicht mehr als ein Loch in der grauen Wolkendecke, aber sie beschloss, es zu nutzen, damit sie nicht vor Rastlosigkeit platzte.
In Holzpantinen klapperte und platschte sie durch die Pfützen auf dem Hof zum Torturm. Oben spielten zwei der Flügge-Kinder mit Tonmurmeln und hielten gelegentlich Ausschau, ob sich jemand
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