Herrin wider Willen
letzten Worte hallten in ihr nach wie ein Echo der Vergangenheit. Die gleichen Worte mochte in diesem Haus dreißig Jahre zuvor Lenz’ Mutter zu Christophers Onkel gesagt haben, um bei einem Gatten zu bleiben, den sie nicht liebte. Ada sagte es, weil die Frage nicht von dem kam, den sie liebte.
Christopher hatte mit der Antwort gerechnet, denn seine nächsten Worte kamen ruhig und ohne Zögern. »Dann bleibe ich auch. So lange, bis ich sicher bin, dass du gut versorgt bist. Und wenn du es dir anders überlegst …«
»Das ist sehr liebenswürdig, aber du solltest nicht wegen mir deine eigenen Angelegenheiten vernachlässigen. Ich werde es mir nicht anders überlegen.«
»Du willst mir sagen, dass du nicht zu meinen Angelegenheiten gezählt werden möchtest. Aber ich fühle mich verantwortlich dafür, dass du hier bist, und ich wäre … ich wäre untröstlich, wenn dir etwas zustieße. Du bist mir …«
Die Röte hatte sich inzwischen von seinen Ohren her über das ganze Gesicht ausgebreitet. Ada wusste mit sicherem Instinkt, dass er gleich Worte aussprechen würde, die er später bereuen würde. »Sag nichts mehr«, befahl sie schnell. »Ich gehe nicht mit dir. Das musst du hinnehmen.«
Er sah sie an, nickte kurz. »Du hast recht.« Dann wandte er sich ab und ging.
Ada setzte sich auf Cornelias Bett, auf dem die Decken und Kissen noch ungelüftet durcheinanderlagen, und ließ den Kopf in ihre Hände sinken. Möglicherweise hatte sie soeben den letzten wahrhaft freundlichen Mann fortgeschickt, dem sie in ihrem Leben begegnen würde. Den freundlichsten, dem sie je begegnet war. Dennoch, es änderte nichts: Der, den sie begehrte, war unten im Haus geblieben. Er hatte sie mit dem Freund hinaufgehen lassen, als hätte er nichts mehr mit ihr zu besprechen.
14
Nachdem mit Grete und Wilhelm Vogt zwei weitere Arbeitskräfte weggefallen waren, hatte Ada so viel zu tun, dass sie kaum wusste, wo ihr der Kopf stand.
Draußen auf dem Hof musste das Heu gewendet, gleichzeitig unter den beengten Umständen für das Vieh gesorgt werden. Stundenweise brachten sie die kleinen Herden hinaus zum Grasen, nie weit vom Anwesen und mit äußerster Vorsicht, um sie rechtzeitig zurück hinter die Mauer treiben zu können, falls sich Gefahr näherte.
Die älteren Kinder der Flügges und der Schwarkes schickte Ada mit Dierk in die nahe gelegenen Gesträuche, damit sie von ihm das Schlingenlegen lernen konnten. Voll Stolz über diese Aufgabe vergaßen sie ihre Furcht, als sie hinauszogen.
Täglich brauchte nun auch der Gemüsegarten Pflege, und Ada tat ihr Bestes, um von Erna und Luise zu lernen, was dort zu tun war.
Seit dem Tag der Unterredung mit Christopher mied Ada die Gesellschaft der Männer. Sie aß nicht einmal mehr mit ihnen, sondern nahm sich ein Tablett mit in ihr Zimmer. Tagsüber setzte sie sich mit ihrem Brot nach draußen in den Schatten, wie ihre Leute es auch taten.
Sie hätte es an diesen Tagen geschafft, die beiden Herren aus ihren Gedanken zu verbannen, wenn Lenz sich weiter verhalten hätte wie vorher. Doch das tat er nicht. Er machte sich genauso nützlich wie sie, und er hatte es offenbar fertiggebracht, sich mit Christopher zu versöhnen. Gemeinsam kümmerten sie sich um die vernachlässigten Reitpferde des Gutes. Sie ritten einen Dreijährigen zu und zwei struppige Vierjährige, bei denen es versäumt worden war. Sie gingen auf die Jagd und listeten dabei für Ada den Holzbestand auf, der zum Verkauf oder für eigene Zwecke dienen konnte.
Das alles taten sie, ohne das Gespräch mit ihr zu suchen. Wenn sie sich dennoch begegneten, verhielt Christopher sich wie üblich, nur etwas bedrückt. Lenz war auf einmal von ausgesuchter Höflichkeit. Er trat ihr entgegen, als hätte man sie einander gerade erst vorgestellt.
Grüßte er sie, tat er es mit einer angedeuteten Verbeugung und machte ihr ein wohldosiertes Kompliment.
Weit mehr als das verwirrte Ada, dass er jede Möglichkeit nutzte, um sie zu beobachten, und wenn sie ihn dabei erwischte – quer über den Hof oder die Gartenbeete hinweg – dann wich er ihrem Blick nicht aus. Bald kam es ihr so vor, als würde er nie etwas anderes ansehen als sie, so lange sie in Sichtweite war. Was dazu führte, dass sie sich ihrerseits ständig nach ihm umschaute. Nach zwei Tagen war sie ganz zermürbt davon.
Am Morgen des dritten Tages suchte er sie zu ihrer Überraschung in ihrem Zimmer auf. Natürlich kam er nicht herein, wie er es früher getan hätte, sondern
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