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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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sich bestimmt eine Menge zu
erzählen. Ich habe hier was für Sie.«
    Judith drehte sich um. Sofie hielt ein Kleid in den Händen und betrachtete
es mit einem Hauch von Wehmut.
    »Sie können so nicht weiter. Ziehen Sie sich auf dem Kutter um und werfen
Sie Ihre alten Sachen über Bord.«
    Sie reichte es Judith. Es war aus dunkelblauer gechinzter Baumwolle mit
einer durchgehenden Knopfleiste. Es sah sportlich aus, aber auch elegant. Es
musste ein Vermögen gekostet haben.
    »Danke.«
    »Was ist passiert? Sie sehen schrecklich aus. Hat man Sie zusammengeschlagen?«
    Judith zuckte mit den Schultern. Sie zerknüllte hilflos das Kleid und
wusste nicht, wohin damit. Die Schlange in ihrem Bauch bekam Hunger.
    »Schon gut. Konspirativ, ich verstehe. Passen Sie gut auf ihn auf.«
    Judith sah wieder zu den beiden Männern. Enge Freunde schienen sie nicht
zu sein. Kaiserley hatte die Hände in den Hosentaschen und schaute an Winkler
vorbei auf den Kutter, während der ihm irgendetwas erzählte, was auch nicht
gerade angenehm zu sein schien. Die Plastiktüte hatte sich in Luft aufgelöst.
    »Wie meinen Sie das?« Kaiserley gehörte zu den Männern, die selbst unter
einem LKW-Reifen noch behaupteten, auf sich selbst aufpassen zu können.
    »Er ist da, wo er damals aufgehört hat. Im Kopf, meine ich. Das Rad
beginnt sich wieder zu drehen. Irgendwann findet er den Absprung nicht mehr.«
    »Ich glaube, er weiß genau, was er tut.«
    »Wie gut kennen Sie ihn?«
    »Überhaupt nicht.«
    Sofie folgte Judiths Blick, und ihre Augen bekamen etwas Zärtliches.
    »Versuchen Sie nicht, an diesem Zustand etwas zu ändern«, sagte sie.
     
    Winkler legte die Unterarme auf das Geländer. Es sollte weltmännisch
aussehen oder zumindest so, als wüsste er, welche Fäden wo zusammenliefen.
    »Der erste Ring ist abgesperrt. Bis Mitternacht werden sie die Fahndung
auf den zweiten ausdehnen. Personenkontrollen auf den Fähren, erhöhter Einsatz
der Sicherheitskräfte auf dem Flughafen. Dezent, aber effektiv. Ich weiß
nicht, wie du das immer schaffst, ihr habt die Wohnung keine zwei Minuten vor
dem Eintreffen der Polizei verlassen.«
    »Hat Sofie dich alarmiert? Ich hatte ihr ausdrücklich verboten ...«
    »Sie ist nicht die Einzige, die sich um dich Sorgen macht. Halt endlich
den Mund und tu einmal das, was ich dir sage.«
    Winkler deutete auf den Kutter. »Das ist unser Kurier zwischen Königsberg
und Kopenhagen. Für dich macht er heute Abend eine Extratour. Ihr seid in sechs
Stunden in Sassnitz. Macht keinen Scheiß und kehrt getrennt bis morgen früh
nach Berlin zurück. Kepler muss zur Polizei. Freiwillig. Ich weiß nicht, welche
Kacke da am Dampfen ist, aber sie steckt schon viel zu tief drin in deiner
Scheiße, um sie hierzulassen. Also sorge dafür, dass sie sicher zurückkommt und
nie hier gewesen ist. Verstanden?«
    »Wir beide sollen den Kopf für euch hinhalten?«
    »Seid froh, dass ihr noch einen habt.«
    »Wer hat die Vonneguts unter Druck gesetzt? Wer hat Irene Borg getötet?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wir arbeiten daran. Es gibt Gerüchte, dass jemand
die russische Mafia für einen special job angeworben hat. Unser V-Mann kann noch nicht mehr sagen.«
    »Die Borgs waren doch nur Trittbrettfahrer. Geflohen aus der DDR, mit
gestohlenen Ausweisen und einem Wissen, das euch erpressbar macht.«
    »Uns erpresst keiner.«
    »Warum wurden sie dann ermordet? Bei der Mutter ahne ich ja noch die
Zusammenhänge. Aber ihre Tochter hatte damit nichts zu tun!«
    »Wirklich nicht? Warum kommt sie dann nach Deutschland und wirft die
Rosenholz-Originale meistbietend auf den Markt?«
    »Das ist eine Lüge.«
    »Dann frag mal Kresnick in Schwerin. Oder Kellermann. Dumm nur, dass
keiner von beiden mit dir reden wird. Du hättest nicht hinschmeißen sollen,
Kaiserley. Dann wäre vieles einfacher. Christina Borg war nicht die edle
Rächerin. Sie war ein raffiniertes Miststück. Genau wie ihre Mutter.«
    »Ist Miststück jetzt schon ein Todesurteil?«
    Winkler lachte leise. Er hatte eine dunkle Stimme, die man ihm gar nicht
zutraute. Ebenso wenig wie seinen klaren, analytischen Verstand und eine sehr
effiziente Arbeitsweise, die sich in beinahe jeder Hinsicht von der seines
direkten Vorgesetzten Kellermann unterschied. Jeder im Dienst rechnete damit,
dass er bei der nächsten Beförderung Kellermann überspringen würde. Manche
sahen in ihm auch schon den neuen Geheimdienstchef.
    Winkler wies mit dem Kopf auf Judith, die zögernd zu ihnen gehumpelt

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