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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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genommen?«
    »Irgendwas.«
    Er wendete ihr Gesicht in seine Richtung und zwang sie, ihn anzusehen.
    »Waren Sie das?«
    Sie schob seine Hand weg.
    »Ich war im Auto. Jemand hat die Scheibe zerschlagen. Und dann ...«
    Sie brach ab, sah auf ihre Arme. Schob hastig den Stoff nach oben und
untersuchte die Haut. Nichts. Er legte seinen Zeigefinger auf ihren Hals.
    »Hier. Sie haben eine Einstichstelle. Heroin?«
    Sie nickte. Die Schlange in ihrem Bauch hob müde den Kopf und legte sich
wieder hin.
    »Der goldene Schuss. Ich war wirklich hart drauf. Deshalb ist mein Körper
noch einiges gewohnt. Jeden anderen hätte das umgebracht. Man kippt vornüber
und bleibt mit dem Gesicht im Dreck liegen. Danach ist man tot oder steht
wieder auf.«
    »Wir müssen Ihre Spuren beseitigen und verschwinden.«
    Er kam auf die Beine und versuchte, Judith mit sich hochzuziehen. Nach
dem dritten Versuch gab er auf und ließ sie sitzen.
    »Chlor«, sagte sie. »Jeder hat Chlor. Vernichtet Aminoverbindungen. Und
Seifenlauge gegen Fingerabdrücke. Meine Hände, in der Dusche ... Damit kriegen
Sie das weg. Aber das da nicht.«
    Sie deutete auf den riesigen Blutfleck, in dem die Leiche lag. Dafür
brauchte sie Dombrowskis Transporter. Kaiserley ging in die Küche und kam mit
einem triefenden Schwamm wieder.
    »Noch mal: Was haben Sie angefasst? Hallo?«
    Sie zuckte mit den Schultern. Er wischte über den Türrahmen, wenig später
hörte sie im Bad Wasser rauschen. Dann kam er zurück und beugte sich über
Irene Borg.
    »Das nehmen wir besser mit.«
    Er zog das Messer aus dem Hals der Toten und steckte es in eine
Plastiktüte. Judith drehte den Kopf weg.
    »Sie werden etwas finden«, sagte sie. »Haare. Fingerabdrücke. Irgendetwas
wird übrig bleiben von mir. Ich bin aktenkundig.«
    Kaiserley nickte.
    »Sie werden glauben, dass ich das war.« Sie sah zu ihm hoch. Aber sie
bekam keine Antwort. Schon im Treppenhaus hörte sie, wie die Polizeisirenen
näher kamen.
     
    Die Möwen schrien. Judith lag auf dem Rücksitz und sah vorüberfliegende
Hausfassaden und blauen Himmel. Vorne saßen Kaiserley und Sofie. Der Fahrtwind
pfiff durch das scheibenlose Seitenfenster. Kräne tauchten auf. Die Luft
änderte sich, wurde feuchter und roch brackig. Sie näherten sich dem Hafen. Kaiserley
bremste so scharf, dass Judith beinahe von der Bank gefallen wäre. Er hatte
kein Wort mehr mit ihr geredet, sie nur in das Auto verfrachtet und Sofie im
Hotel abgeholt. Nun reichte er ihr den Wagenschlüssel.
    »Versuch, alle Spuren im Wagen zu beseitigen, und lass ihn irgendwo
stehen. Ich melde ihn als gestohlen.«
    Sofie nahm den Schlüssel und nickte. Kaiserley stieg aus und öffnete die
Hintertür. In der Hand hatte er die Plastiktüte mit dem Messer. Judith richtete
sich auf. Sie fühlte sich wie eine Rolle Teppich. Schmutzig, abgetreten,
entsorgt. Er wartete mit ausdruckslosem Gesicht, bis sie aus dem Wagen
geklettert war.
    Sie standen direkt am Kai. Es musste Abend sein, aber die Sonne stand
immer noch wie festgeklebt am Himmel. Ein Mann lehnte am Eisengeländer und
betrachtete entspannt einen Kutter. Er trug einen grauen Anzug und passte
nicht in diese Gegend. Er hörte das Zuschlagen der Autotüren und drehte sich
um. Kaiserley kniff die Augen zusammen. Judith konnte nicht erkennen, ob er
sich über das Auftauchen des Mannes freute oder ihn zum Teufel wünschte.
    »Kaiserley«, sagte der Mann. »Schade, dass wir uns auf diese Weise wiedersehen.«
    » Long time no see.«
    »Aber wenn es drauf ankommt, ist der alte Winkler doch immer wieder für
was gut. Oder?«
    Winkler war nicht alt. Vielleicht Mitte fünfzig, aber er sah aus, als
hätte er sein Leben im Büro verbracht und sich eigentlich nur aus Versehen ins
Freie gewagt. Er war ein mittelgroßer, schlanker Mann mit sehr hoher Stirn und
einem Gesicht, das man schnell wieder vergessen würde. Er hatte Kaiserley mit
seinem richtigen Namen angesprochen. Sofie tat so, als wäre es das Normalste
der Welt, dass ihr Liebster mal Weingärtner, mal Kaiserley hieß. Vielleicht
hatte sie es auch gar nicht gehört, denn sie stieg erst in diesem Moment aus.
    »Wer ist das?«, fragte Judith.
    Kaiserley achtete nicht auf sie. Langsam ging er zum Geländer, öffnete
die Tüte und ließ das Messer ins Wasser fallen. Winkler sah ungerührt zu. Sofie
ließ die beiden nicht aus den Augen. Als sie leise miteinander zu reden
begannen, zog sie Judith von der Autotür weg zum Kofferraum.
    »Alte Kollegen«, sagte sie. »Die haben

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