Herrmann, Elisabeth
es noch einmal zwei Meter weiterschickte. Zu einem
Fernseher an der Wand der Executive Suite des Hotel de Rome am Bebelplatz.
Angelina
Espinoza nahm den Kopfhörer ab. »Näher ran.«
Sie hatte
die befehlsgewohnte Stimme einer Frau in den obersten Diensträngen, aber es
gelang ihr immer wieder, ihre Autorität mit einer Art stählerner Anmut zu
verbinden, die jedem Mann im Umkreis von hundert Metern die Knie weich werden
ließ.
Tobias
Täschner, von Kollegen nur Teetee genannt, nickte. Er war nervös und froh, dass
er saß. Espinoza war Ende vierzig, also gut zehn Jahre älter als er,
hauptberuflich CIA-Agentin und hieß im wirklichen Leben mit Sicherheit ganz
anders. Ihr letztes Treffen hatte ebenfalls beruflich begonnen und hatte dann
ziemlich privat geendet. Im Moment ließ nichts darauf schließen, dass sie sich
an diese Nacht überhaupt erinnerte. Sie setzte den Kopfhörer wieder auf und
nickte ihm kurz zu. Los geht's, hieß das. Subito. Er zoomte so nahe an
Kaiserley heran, bis dessen Gesicht den Bildschirm ausfüllte.
Er hatte
sein Redamec-Rack auf dem Couchtisch aufgebaut, der so riesig war, dass
Rollschuhläufer darauf Pirouetten drehen konnten. Alles in diesem Hotel war
riesig: Das Bett, das er im Vorübergehen durch eine halb geöffnete Tür gesehen
hatte, der Flachbildschirm an der Wand, der brillante Bilder lieferte, die
gewaltigen Sessel, die Säulen in der Eingangshalle, die drei Meter hohen
Lehnen der halbrunden Samtbänke dort, zu denen ihn ein Portier mit freundlichem
Lächeln geleitet hatte, und sogar der war mit fast zwei Metern mindestens
eineinhalb Köpfe größer als er selbst gewesen. Mussolini meets Versace, war
sein erster Gedanke, als er das Gebäude im steinernen Herzen Berlins betreten
und sich umgesehen hatte.
Angelina
Espinoza hingegen war zierlich und gerade mal eins sechzig groß. Dennoch
bewegte sie sich ebenso raumgreifend wie graziös, als wären Hotelsuiten dieses Ausmaßes
für sie die perfekte Bühne und der Rest der Welt einfach nur zu klein geraten.
Sie hatte schulterlange braune Haare, die ihr, so oft sie sie auch zurücknahm,
in lockeren Wellen ins Gesicht fielen. Sie trug einen Hosenanzug in gedecktem
Beige, dazu eine weiße Bluse, alles in allem also ein korrektes
Business-Outfit, und trotzdem war Teetee in ihrer Gegenwart nervös.
Er war ihr
in Virginia begegnet, als er im Tross des damaligen Außenministers mit einigen
Kollegen vom »Bundesamt für Fernmeldestatistik, Abteilung Auswertung« eine Art
Betriebsausflug zur CIA gemacht hatte. In Langley feierten sie die Übergabe des
bis dato rein militärisch genutzten GPS an die Öffentlichkeit zur zivilen
Nutzung. Das Hauptquartier mit seinen zahlreichen Nebengebäuden, dem
Auditorium und dem weitläufigen Memorial Garden hatte ihn beeindruckt. An den
einstigen Landsitz erinnerte nur noch das alte Herrenhaus, Scattergood. Dort
hatten die Kollegen einen kleinen Empfang gegeben. Kellermann, sein Chef, hatte
sich aufgeführt wie der Sonnenkönig und gar nicht bemerkt, wie sich Teetee
hinter dem Rücken seines Vorgesetzten plötzlich in den dunklen Augen von
Warrant Officer Angelina Espinoza verfing. Ehe er bis drei zählen konnte, hatte
sie ihn erobert, abgeführt und in ihre kleine Wohnung eine halbe Stunde
außerhalb von Langley verfrachtet, wo er den Rest des Abends und die ganze
Nacht einen geradezu paradiesischen Zustand genoss: Angelina wusste, wer er war
und für wen er arbeitete. Keine Legende, kein Verschweigen, kein »Ich bin
IT-Techniker bei der Hypovereinsrückcontiwasauchimmer«, sondern die Wahrheit,
über die zu reden sich nicht lohnte, weil ihre Erfahrungen sich zu sehr
ähnelten.
Nur ihre
Klarnamen, die nannten sie sich nicht. Sie waren tabu. Auch und vor allem in
solchen Situationen. Er war Täschner, sie Espinoza. Unter diesen Namen
arbeiteten sie für ihre jeweiligen Dienste und die Außenwelt. Weitere
Decknamen und Legenden waren an der Tagesordnung. Teetee hatte seinen Arbeitsnamen
schon so weit verinnerlicht, dass er sich an seinen Geburtsnamen kaum noch
erinnern konnte. Oder wollte. Es lief wohl mehr auf Letzteres hinaus.
Ihre
Affäre konnte man eigentlich gar nicht als solche bezeichnen, und so hatten
sie ein Wiedersehen der Regie des Zufalls überlassen. Dass dieser Zufall nun
ausgerechnet bei diesem Einsatz in Berlin seine Hände im Spiel hatte, war
Teetee nur willkommen.
Eingecheckt
hatte sie unter dem Namen Sandra Kerring, an der Rezeption angekündigt war er
als Oliver Mayr. Und so
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