Herrmann, Elisabeth
konnte, ist besser als ihr alle zusammen. Also: Deal or no
deal?«
»Deal.«
»Wie
stellen Sie sich das vor?«
»Ein
Paukenschlag.«
Die
schmalen Augen der Frau verengten sich noch mehr. »Drei zu
eins. Die Talkshow mit Juliane Westerhoff. Es werden alle da
sein. Spiegel, Focus, Stern.«
» Cash? Ich
will hunderttausend.«
»Ich muss
verhandeln.«
»Dann
machen Sie das.«
Quirin
nickte widerwillig. Die Gier störte ihn, ihre Art, wie sie den Kopf schief
legte.
»Gut«,
sagte sie. »Schreiben Sie mir, wann und wo. Keine Tricks. Ich weiß damit
umzugehen. Jeder Versuch, mich zu tracken, ist das Ende der Aktion.«
»Unter
einer Bedingung.«
»Welche?«,
fragte sie schnell.
»Ich will
die Filme als Erster sehen.«
»Eine
offene Rechnung?«
»Ja.«
»Sassnitz?«
Wenn er
noch einen Beweis gebraucht hätte - dieses einzige Wort reichte. Sie war ein
Insider. Sie war viel zu jung. Sie konnte damals nicht dabei gewesen sein.
»Was
wissen Sie über Sassnitz?«
»Genug«,
erwiderte sie. Es war das erste Mal, dass er einen Hauch von Aufrichtigkeit in
ihrer Stimme hörte. »Glauben Sie mir das. Genug, um zu wissen, dass Sie alles
daransetzen werden, einen Blick auf das einzig existierende Material zu
werfen.« Sie nahm ihre Tasche und stand auf. »Offene Rechnungen sind ein
schwieriges Geschäft. Die werden nie ganz beglichen. Schon gar nicht durch
Moral oder Gerechtigkeit.«
Er hatte
ihr nachgesehen und gedacht, dass sie recht hatte.
Kirsten
warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Ich hole
Sie in zwanzig Minuten ab. Sie haben eine eigene Garderobe. Wir haben für alles
gesorgt. Auch für die Sonderwünsche.«
Sie
lächelte vielsagend und eilte davon. Quirin betrat einen spartanisch möblierten
Raum. Sein Blick fiel auf ein Lesegerät mit Mikrofichebühne und Objektiv, das
auf dem Tisch in der Mitte des Raumes stand. Er legte den Schalter um und
prüfte, ob Lampe und automatische Filmeinfädelung funktionierten. Seine Hände
zitterten. Noch eine Dreiviertelstunde. Wo zum Teufel blieb sie? Er stellte den
Aktenkoffer auf einem Stuhl ab und öffnete eine Flasche Mineralwasser, die mit
zwei Gläsern neben dem Gerät stand, schenkte sich ein und trank das Glas in
einem Zug aus. Offene Rechnungen.
Die
abgestandene Luft, vermischt mit dem Geruch von Kunststoffkleber und
Desinfektionsmittel, raubte ihm fast den Atem. Er öffnete das Fenster, das zum
Parkplatz hinausging, und sah, wie jemand die Tür seines Autos zuschlug und
sich hastig entfernte. Dumm gelaufen. Er hatte noch nicht einmal ein Autoradio.
Und wer glaubte, ein Ex-BNDler ließe auch nur irgendetwas von Wert im
Wageninneren, war ein Anfänger.
Er holte
den elektrischen Rasierapparat, den er bei solchen Gelegenheiten immer
dabeihatte, aus dem Aktenkoffer. Darunter lag eine Mappe mit der Aufschrift Rosenholz. Ohne das neue Material war sie so wertlos wie ein Bündel Reichsmark.
Er trat an das kleine Waschbecken gleich neben der Tür, und während er sich mit
dem Apparat über die Wangen fuhr, spürte er, dass seine Nerven zum Zerreißen
gespannt waren. Als es leise klopfte, ließ er den Apparat ins Becken fallen und
riss die Tür auf.
»Quirin!
Du bist allein?«
Juliane
Westerhoff schlüpfte herein. Das schwere Make-up verlieh ihrem Gesicht die
maskenhafte Schönheit einer Leinwanddiva. Sie hatte sich bereits zu Beginn
ihrer Karriere in der Öffentlichkeit einen bestimmten Typ zugelegt, der
entfernt an Marlene Dietrich erinnerte. Kühler Blick, hohe Wangenknochen, fein
gezeichnete Augenbrauen, die dunkelblonden Haare in sanften Wellen aus dem
Gesicht gekämmt, so kannte man sie vom Bildschirm. Auf der Straße würde sie
kein Mensch erkennen. Die Maske war ihr Schutz, die sie überstreifte wie eine
zweite Haut.
Sie
lächelte ihn an. Er hoffte, dass sie ihm sein Elend nicht ansah.
»Dein
großer Abend. Wie geht es dir?«
Ihre
grünen, unnatürlich großen Augen taxierten ihn, als ob sie ihn auf seine
Fernsehtauglichkeit prüfen wollte. Durch seine dichten dunklen Haare zogen sich
eisgraue Strähnen. Mit seinen eins fünfundachtzig und der drahtigen Figur
eines passionierten Langläufers war er ein Mann, den das Alter beschenkte,
statt ihn zu berauben. Noch.
Er wies
auf den geöffneten Aktenkoffer. »Mein Verleger will seinen Vorschuss zurück,
wenn ich nicht bald abliefere.«
»Dann hast
du sie?«
»Hör zu
...« Er musste sie einweihen. »Ich glaube, es gibt ein Problem.«
»Ein
Problem? Welches Problem? Die Rechtsabteilung des Senders steht
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