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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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die Monitorwand. Eine Produktionsassistentin trat aus der
Vorhalle ins Studio. Das Stimmengemurmel der Zuschauer, die mit Wein und
Salzbrezeln bis zum Öffnen der Türen bei Laune gehalten wurden, drang gedämpft
herein.
    Der
Techniker reichte Quirin den Sender des Funkmikrophons.
    »Eine
Sprechprobe, bitte.«
    »Eins zwei
drei vier«, sagte Quirin.
    Der Mann
lauschte auf das, was ihm eine ferne Stimme via Headset sagte, und nickte. Die
Produktionsassistentin bat Quirin, in dem Sessel außen rechts Platz zu nehmen.
    »Und Eins
auf Position eins«, hörte er den Aufnahmeleiter aus den Lautsprechern.
    Aus dem
Halbdunkel des Studiohintergrunds löste sich die kastenförmige Silhouette einer
fahrbaren Kamera. Zwei junge Männer schoben das Pedestal in Richtung Bühne. Das
kleine rote Licht neben dem Objektiv leuchtete. Oben im Regieraum füllte
Quirins Gesicht den gesamten Monitor eins aus.
    »Bitte
nicht direkt in die Kamera schauen«, erläuterte die Produktionsassistentin.
Sie wirkte fahrig, gestresst und ein bisschen überfordert mit ihren kaum
zwanzig Jahren. Im Gegensatz zu Kirsten sah sie aus, als würde sie
nebenberuflich als Roadie für eine Rockband arbeiten. Quirin nickte. Die
Scheinwerfer blendeten. Er kniff die Augen zusammen und entdeckte Juliane, die
mit einem schlanken Mann Mitte dreißig, ihrem Redaktionsleiter, in ein leises
Gespräch vertieft hinter der Treppe zu den oberen Zuschauerbänken stand.
    »Zwei und
drei, bitte.«
    Zwei
Kameramänner mit Steadicams umkreisten ihn.
    »Möchten
Sie später Mineralwasser mit oder ohne Gas?«
    »Mit«,
antwortete Quirin. »Hat jemand nach mir gefragt? Oder ist etwas abgegeben
worden?«
    »Nein.
Aber ich sehe gleich noch mal nach.«
    Die
Produktionsassistentin beugte sich zu ihm hinab.
    »Blöde
Frage, aber haben Sie draußen einen Parkschein gezogen?«
    Quirin
überlegte, dann schüttelte er den Kopf. Ihm war weit und breit kein Automat
aufgefallen.
    »Die
schleppen hier sogar ab seit neuestem. Ich mach das schnell für Sie, wenn das
okay für Sie ist.«
    Quirin
lächelte mühsam. Es fiel ihm schwer, so zu tun, als wäre alles wie immer. »Sehr
okay sogar.«
    Sie ging
in die Hocke. »Ich habe Ihr letztes Buch richtig aufgefressen. Total spannend.
Was ich mich immer wieder gefragt habe: Gibt es diese alten Waffenlager der
Russen eigentlich noch?«
    Sie
spielte auf seine vorletzte Veröffentlichung an. Er hatte angeprangert, dass
jeder Schatzsucher ohne Probleme die hektisch verscharrten Überreste der
abziehenden Sowjetarmee ausgraben konnte. Seinem Wissen nach war jenseits
einer Kakophonie von hysterischem Geschrei nicht wirklich etwas passiert. Das
Mädchen vor ihm machte den Eindruck, als würde es am liebsten selbst gleich
losziehen.
    »Nein«,
log er. Manche Dinge gehörten vielleicht doch nicht an die Öffentlichkeit.
    »Schade.
Na dann. Ich hol mal Ihr Wasser.« Sie stand auf und eilte hinaus.
    Quirin
atmete auf. Er fühlte sich, als hätte ihm dieses kurze Gespräch die letzte
Kraft geraubt. Am liebsten wäre er aufgestanden und gegangen. Irgendwohin, wo
er allein sein und die Enttäuschung aus sich herausschreien konnte, die in
seinen Eingeweiden wütete.
    »Die Vier.
Wo ist die Vier bitte?« Die Stimme des Aufnahmeleiters klang gereizt. »Danke.
Und weiter.«
    Auf das
nächste Kommando schwenkte der Arm eines Krans nur einen halben Meter weit von
ihm entfernt vorbei. Kamera fünf.
    »Und die
Sechs. Teleprompter. Frontale.« Die letzte Kamera richtete sich direkt
gegenüber dem Halbkreis ein. »Danke an alle. Das war's. In zwanzig Minuten auf
Position.«
    Quirin
stand auf und verließ die Bühne. Seine Quelle war versiegt. Er saß auf dem
Trockenen.
     
    Die siebte
Kamera im Lichtrigg bewegte sich. Ihr Objektiv war kaum größer als ein Finger
und mit ihrem schwarzen Metallgehäuse nicht von den Streben der Aufhängung zu
unterscheiden. Sie folgte Quirins Bewegungen quer durch den Raum, bis er mit
einem knappen Nicken in Julianes Richtung hinter der Treppe verschwand.
    Die Close
Capture Camera, kurz CCCam, hergestellt von Great Choon Brother, einem der
Top-Anbieter aus Shenzhen, schickte hochauflösende Bilder über eine gesicherte
Frequenz an einen Transponder. Der befand sich nicht im Regieraum der AMC,
sondern außerhalb des Studios im geborstenen Stumpf eines Sendemastes des
ehemaligen Reichsrundfunks. Das verschlüsselte Signal reiste von dort siebzehn
Kilometer quer durch die Stadt und brauchte dafür 0,87 Sekunden. Es kam in
einem Rechner an, der

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