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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Sofort dachte sie an Karsten Michael
Oliver Arschloch, konnte sich aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass
dieser Mann überhaupt wusste, wie man das Wort Blumen buchstabierte.
    »Wie sah
er denn aus?«
    »Keine
Ahnung. Mittelgroß, älter, so eine Mischung aus Bulldozer und Gesundheitsamt.«
    Dombrowski
kratzte sich den Hinterkopf und sah die Rosen an, als ginge eine geheimnisvolle
Bedrohung von ihnen aus.
    »Also: Ist
irgendwas mit dem Wagen?«
    »Nein.«
    »Ich will
wissen, was das soll. Wenn es ein Verehrer ist - von mir aus. Aber das ist kein
zartes Blümchen. Das ist ein Totschlagargument.«
    »Bring sie
deiner Frau mit. Egal welcher.«
    »Bin ich
verrückt? So viel Scheiße kann ich gar nicht bauen, dass sie mir das abnimmt.
Wer ist der Kerl?«
    Er deutete
auf den Brief in Judiths Hand. Sie hob die Schultern.
    »Ich weiß
es nicht. Das musst du mir glauben. Ich weiß es wirklich nicht.«
     
    Das Bocca
di Bacco lag in der Friedrichstraße und war vor allem zur Mittagszeit unter der
Woche sehr beliebt. Sonntagabends um sieben jedoch waren die Manager,
Politiker, Journalisten und Touristen ermattet von ihren Golfplätzen oder
anderen Vergnügungen heimgekehrt und machten es sich entweder dort bequem oder
trafen später hier mit ihren Gattinnen ein, die sich für die Oper oder eine
Vernissage für die Freunde der Nationalgalerie auf Hochglanz gebracht hatten.
Das Bocca di Bacco war also noch relativ leer und würde erst im Laufe des
Abends all jene aufnehmen, die sich vor, während oder nach ihren Zerstreuungen
mit Mandelgnocchi, Zimtscampi und Fasanenbrust stärken mussten.
    Der Mann
saß am Fenster. Anfang, Mitte sechzig vielleicht, kräftig. Halbglatze, Resthaar
kurz geschoren. Feiner Zwirn, teure Uhr. Sah aus, als hätte er früher mal auf
dem Jahrmarkt geboxt, benahm sich aber, als hätte er den Laden längst gekauft.
Er war es gewohnt, wie selbstverständlich viel Platz zu beanspruchen. Der
Tisch war bedeckt mit Smartphone, iPad, Schlüsselbund und Zeitung, so dass
derjenige, auf den er offenbar wartete, sich ziemlich klein würde machen
müssen.
    Wenn er
wusste, dass er beobachtet wurde, ließ er es sich nicht anmerken. Er war
bereits eine halbe Stunde vor dem verabredeten Termin gekommen, hatte eine
Flasche Rotwein gewählt und dann mehrere Telefongespräche geführt. Zwischendurch
starrte er gelangweilt hinaus auf die Straße. Als die halbe Stunde verstrichen
war, blickte er öfter auf seine Armbanduhr. Er aß eine Scheibe Weißbrot, die er
zuvor in einen Unterteller mit Olivenöl getunkt hatte, und veränderte
unmerklich seine Körpersprache. Von entspannt zu aufmerksam und schließlich
ärgerlich. Als er sich sicher war, dass er versetzt wurde, wirkte er nervös.
Nach einer Stunde winkte er dem Kellner und zahlte. Er verließ das Restaurant
und strebte der nächstgelegenen U-Bahn-Haltestelle zu. Er war ungefähr eins
achtzig groß, ging aufrecht und zielstrebig. Seine derben Züge verzogen sich
missmutig, als er eine Lücke im Verkehr abwarten musste - er nahm es offenbar
persönlich -, um dann mit weit ausholenden Schritten auf die Fahrbahnmitte
zuzustreben.
    19.42 Uhr.
Die nächste Bahn würde in vier Minuten kommen. Judith steckte ohne Hast ihr
Fernglas in die Tasche und zog sich vorsichtig aus dem Kunstseidenrock einer
Schaufensterpuppe zurück. Die großen, fast bodentiefen Fenster lagen genau
auf der anderen Straßenseite und gehörten zu einer Billigbekleidungskette, die
sich MacClean unter den Nagel gerissen hatte. Im ersten Stock bearbeitete ein
ehemaliger Kollege die Böden mit der Poliermaschine. Sie lief ein paar Stufen
auf der angehaltenen Rolltreppe hoch und winkte ihm zu. Er registrierte ihren
Abschied mit einem kurzen Kopfnicken. Dann verließ sie das Haus über den
Personaleingang.
    Auf halber
Treppe zur U-Bahn-Station Französische Straße blieb sie stehen und wartete, bis
der vibrierende Boden das Nahen des nächsten Zuges ankündigte und er in den
Bahnhof einfuhr. Das laute Quietschen der Bremsen und der enorme Luftzug
lenkten die Aufmerksamkeit der wenigen Fahrgäste ganz auf die Waggons. Judith
sah, wie der Mann weiter vorne einstieg, ohne sich noch einmal umzudrehen. Sie
wartete, bis die Ansage ertönte und sie wirklich die Letzte auf dem Bahnsteig
war. Dann machte sie einen Schritt nach vorne, die Türen schlossen sich hinter
ihrem Rücken, und der Zug setzte sich in Bewegung.
    Der Mann
saß in Fahrtrichtung allein auf einer Bank am Fenster. Als Judith sich neben
ihn

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