Herrmann, Elisabeth
hatte, dass sie noch eines besaß.
»Herr
Kaiserley?«
Ein
drahtiger junger Mann Anfang dreißig, entweder frisch geduscht oder die Haare
so gegelt, dass sie glänzten wie gelackt, kam mit quietschenden Turnschuhsohlen
auf ihn zu. Quirin stand auf und drückte die ihm entgegengestreckte Hand.
»Ich bin
Franz Ferdinand Maike. Und ich mache mit meinem Namen Ähnliches durch wie Sie.«
Quirin
lächelte etwas gequält.
»Ich bin
Kriminalkommissar der Mordkommission. Folgen Sie mir bitte. Sie wollen eine
Aussage machen?«
Quirin
ließ Franz Ferdinand Maike in dem Glauben. Maike war etwas kleiner als er. Ein
flinker, agiler Mann mit jugendlichem Schwung, der, ohne zu fragen, den Aufzug
links liegen - und Quirin drei Stockwerke mit nach oben sprinten ließ. Als
Maike sein Büro erreichte, lag Quirin eine halbe Treppe zurück, und Maike sah
immer noch aus wie frisch geduscht. Er hielt seinem Besucher die Tür zu einem
kleinen, sehr ordentlichen Büro auf und bat ihn, Platz zu nehmen.
»Herr
Kaiserley. Was genau führt Sie zu uns?«
»Ermitteln
Sie im Mordfall Borg?«
»Hmmm ...
ja.«
Maike
faltete die Hände und legte sie auf seiner grünen Behördenschreibtischunterlage
ab.
»Warum
wird der Fall nicht publik gemacht? Ich kannte Christina Borg. Ich hätte gerne
erfahren, dass sie tot ist.«
Noch immer
empfand Quirin kalte Wut. Er war bei Westerhoff ins offene Messer gelaufen.
Borg war ermordet worden, und niemand in dieser Stadt schien davon offiziell
Kenntnis zu haben.
»Das tut
mir leid. Sie kannten sie?« Maike beugte sich vor. »Woher? Und seit wann?«
»Christina
Borg nahm Kontakt mit mir über meinen Verlag auf. Ich schreibe Sachbücher.«
»Ah ja.«
Maike
verzog keine Miene. Entweder hatte er Kaiserleys Namen wirklich noch nie
gehört, oder er steckte ihn gerade in die Schublade des etwas überspannten
Publizisten.
»Wir haben
uns hier in Berlin getroffen«, fuhr Quirin fort. »Sie interessierte sich für
die gleichen Themen wie ich und bot mir an, bei den Recherchen zu helfen.«
»Welche
Themen sind das?«
»Innere
Sicherheit, Verjährungsdebatte, BND. Und die Hauptabteilung A des MfS.
Abteilung XII.«
Maike
nickte. Er verstand wahrscheinlich nur Stasi. »Und, konnte sie helfen?«
»Leider
nein. Sie kam nicht zu unserer letzten Verabredung. Deshalb möchte ich gerne
wissen, was passiert ist.«
»Ja, das
wüssten wir auch gerne.«
Maike
lehnte sich zurück und warf einen Blick aus dem Fenster. Das Büro ging auf den
Innenhof. Mehr als die graue Fassade der gegenüberliegenden Seite gab es nicht
zu sehen.
»Sie
verstehen sicher, dass wir Ihnen über laufende Ermittlungen keine Auskunft
erteilen dürfen. Aber«, Maike zog eine Schublade auf und holte ein Formblatt
heraus, »hinterlassen Sie uns bitte Ihre Personalien und wo wir Sie erreichen
können. Wir melden uns zu gegebener Zeit, wenn wir noch Fragen an Sie haben.«
Er schob
das Blatt über den Tisch. Quirin nahm es und zerriss es sorgfältig, ohne jede
Hast, in viele kleine Schnipsel.
»Sie
verstehen doch auch sicher, dass ich Ihnen kein Wort abnehme. Wie heißt der
zuständige Dezernatsleiter beim Innensenator? Oder ist die Sache schon im
Bundesjustizministerium gelandet?«
Maike
schob den Unterkiefer vor, was seinem jungen, von Enttäuschungen noch nicht
gezeichneten Gesicht den Ausdruck eines ausgesetzten Pitbulls verlieh.
»Und bevor
Sie jetzt zum Telefon greifen, um Ihren Vorgesetzten zu informieren, denken
Sie daran, dass der mit der Sache auch schon längst nichts mehr zu tun hat.
Ich hatte Ihnen doch schon gesagt, innere Sicherheit ist ein Hobby von mir.«
»Es tut
mir leid, ich kann nichts für Sie tun.«
»Dann
erkläre ich Ihnen mal, was ich für Sie tun kann. Ich werde als Erstes die
Meinungsguerilla dieses Landes mobilisieren. Die Presse wird Ihnen die Türen
eintreten. Ein Mord an einer jungen Frau, bis heute nicht aufgeklärt, und die
Öffentlichkeit weiß nichts davon. Wer hat diese absolut unprofessionelle
Vorgehensweise angeordnet?«
»Sie
erwarten doch nicht etwa ...«
»Ich will
wissen, wo der Fall gelandet ist.«
Maike
griff zum Telefonhörer. Blitzschnell beugte Quirin sich vor und unterbrach die
Verbindung.
»Ist es noch
ein einfacher Mord oder schon viel mehr? Wackeln schon Stühle?«
»Reißen
Sie sich zusammen!« Maike legte auf. Seine forsche Selbstsicherheit geriet ins
Wanken. »Sie sind verrückt, wenn Sie glauben, von uns etwas zu erfahren.«
»Und Sie
naiv, Maike. Herr Kriminalkommissar Maike.
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