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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Zeit nervös die Hände. Er wartete auf einen günstigen
Augenblick, und der schien nun gekommen.
    »Herr
Lindner sprach einen unserer Mitarbeiter am Rande der Fototec in Budapest an.
Er möchte die DDR verlassen und bietet uns ...«
    Langhoff
brach ab. Kunstpause. Er war einer der vielen, die auf einen groben Fehler Kellermanns warteten, um seine Position
einzunehmen. Quirin hatte sich nie an diesen Spielen beteiligt. Er war ein
Mann für den Außendienst. Er holte sich seine Adrenalinkicks nicht am
Schreibtisch, sondern in der Wirklichkeit.
    Langhoff sah sich um. »... die komplette Klarnamen-Kartei des
Auslandsnachrichtendienstes der DDR. Sämtliche Agenten, die im Westen für den
Osten arbeiten. Deutsche, aber auch Amerikaner, Engländer, Franzosen. Wir
könnten sie auf einen Schlag enttarnen.«
    Quirin hielt die Luft an. Er fragte sich, ob er der einzig Ahnungslose im
Raum war. Dann bemerkte er, dass Angelina Espinoza ebenfalls um Fassung rang.
US-Botschaft Bonn-Bad Godesberg. Das konnte sie ihrer Großmutter erzählen.
Bonner Botschafter hatten bei Geheimdiensttreffen nichts verloren. Die sangen
Weihnachtslieder in Waisenhäusern, aber sie waren nicht dabei, wenn der Eiserne
Vorhang auf einmal ein Guckloch bekam.
    Applebroog lächelte. Er wusste von der Aktion. Sonst hätte er auch keine
Maschine bereitgestellt und das Nachtflugverbot ausgehebelt. Kellermann und
Langhoff auch. Natürlich. Offenbar waren Quirin und Angelina die Einzigen, die
im Dunkeln tappten. Vermutlich gehörte sie auch zum Außendienst ihres Landes.
Typisch: Die, die den Kopf hinhielten, erfuhren immer als Letzte, warum sie das
taten.
    »Wie muss man sich das vorstellen?«, fragte Quirin. Der Informationsvorsprung
der anderen ärgerte ihn. Dabei war ein solches Vorhaben schon logistisch
unmöglich. Soweit sie wussten - und ihr Wissen über diese Büchse der Pandora
war mehr als bruchstückhaft -, befanden sich die Akten der Stasi-Agenten in
kilometerlangen Aktenschränken.
    Lindner schwieg. Das Feuer prasselte. Die Eiswürfel in Kellermanns Drink
klirrten. Applebroog blickte nachdenklich in seinen Punsch.
    »Mr Kaiserley hat recht.« Applebroog nahm Lindner ins Visier. Der verkroch
sich noch tiefer in die Lederpolster der Chesterfield-Garnitur. »Wir brauchen
natürlich Informationen. Beweise.«
    Beweise. Das MfS war eine Festung. Es gab keine Beweise. Quirin wunderte
es nicht, dass Lindner nun offenbar lieber im Andreasgraben als in diesem Sofa
versunken wäre. Applebroog verlor ein wenig von seinem Hausherren-Charme. Er
gab dem Sergeant mit den weißen Handschuhen ein Zeichen. Dieser schloss die Tür
vor dem MP-Posten.
    »Bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Niemand zwingt Sie zu etwas. Ich
versichere Ihnen: Sie können jederzeit aufstehen und gehen. Wir bringen Sie
umgehend nach Budapest zurück, und niemand wird erfahren, wo Sie sich heute
Abend aufgehalten haben. Sie haben mein Wort.«
    Alles Unsinn. Lindner würde weder sein Mitropa-Hotel im Ostblock noch die
DDR wiedersehen. Er konnte sich stattdessen auf eine lange Zeit unter
fürsorglicher Belagerung gefasst machen.
    »Das Wort der Vereinigten Staaten von Amerika«, legte Applebroog nach.
Noch schlimmer.
    »Sie wollte nach Paris«, sagte Lindner so leise, dass Quirin ihn kaum
verstand. »Sie hat immer davon geträumt.«
    »Es geht um eine Frau? Ihre Frau? Dann erfüllen wir ihr den Traum.«
Applebroog lächelte. »Reden wir also von zwei Pässen. «
    »Drei. Wir haben ein Kind. Ich verhandle nur, wenn Sie die Richtigen sind.
Das habe ich schon in Budapest gesagt. Drei Pässe und die Schleusung.«
    Applebroog wechselte einen schnellen Blick mit Kellermann. Der stellte
sein Glas ab und gab dem Sergeant mit den weißen Handschuhen einen Wink, um ihm
nachzuschenken.
    »Kein Problem. Ist das ein Problem?« Die höfliche Nachfrage des
Stadtkommandanten galt Langhoff.
    Langhoff zuckte mit den Schultern. »In vierundzwanzig Stunden inklusive
Legende. Wasserdicht.«
    »Und einem Visum für die USA natürlich«, setzte Applebroog hinzu. »In drei
Tagen sind Sie am Times Square. Und danach von mir aus in Paris.«
    Quirin entging nicht, wie geschickt der Stadtkommandant sein Land an der
Aktion beteiligte. Und das auch noch ohne Risiko. Er fragte sich, wie hoch der
Preis dafür war und mit wem er ihn ausgehandelt hatte. Quirin tippte auf
Langhoff. Kellermann grub sich sein eigenes Grab, wenn er so weitersoff.
    »In drei Tagen, Mr Lindner. Three days. Time to
practice your English. Et francais,

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