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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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an seiner Cohiba und nebelte sich ein. Offenbar hatte er
sich den Ausgang des Gesprächs anders vorgestellt. Kellermann und Langhoff
stierten auf den Tisch. Dort stand die Zigarrenkiste. Sie war aus Rosenholz und
kunstvoll mit Schnitzereien verziert. Kubanische Zigarren im Keller des
amerikanischen Stadtkommandanten.
    Angelina, die neben Lindner saß, beugte sich vor.
    »Wir wollen nur sichergehen, dass alle auch das bekommen, was sie wollen.
Sie die Pässe, wir die Filme.«
    »Was ist, wenn was schiefgeht?«
    »Das wird nicht passieren.«
    »Wenn doch?«
    »Dann werden wir Sie freikaufen.« Applebroog hatte genug von Lindners
Ziererei. »Die Bundesrepublik natürlich. Aber wenn Sie nicht wollen - da ist
die Tür.«
    Der Sergeant setzte sich in Bewegung.
    »Nein«, sagte Lindner schnell. »Ich will. Wir wollen.«
    »Dann verraten Sie uns jetzt, wie Sie an das am besten gehütete Geheimnis
des Ministeriums für Staatssicherheit herankommen. «
    Lindner schluckte. Er sah einem nach dem anderen in die Augen. Sogar Quirin
wurde noch einmal neugierig.
    »Es ist ganz einfach«, sagte der Mann. »Sie fotografiert es.«
     
    »Hör auf. Ich will den alten Kram nicht mehr hören.«
    Teetee trank von seinem Weißbier und stellte das Glas so heftig auf dem
Biertisch ab, dass ein Teil des Inhalts über den Rand schwappte. »Das ist
Schnee von gestern.«
    »Es wäre ein Verrat gewesen, wie ihn der ganze Ostblock noch nicht erlebt
hatte. Vielleicht wäre die Mauer früher gefallen. Vielleicht stünde sie noch.
Dieser Verrat hätte Geschichte geschrieben.«
    »Träum weiter. Es hat ihn nie gegeben.«
    »Ich sollte sie schleusen. Drei Menschen. Einen Mann. Eine Frau. Ein Kind.
Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Und ich war jung, ich war hungrig. Ich
dachte, es wäre ein Abenteuer. Ich wusste nicht, was Verrat bedeutet. Nicht für
den, der ihn begeht, und auch nicht für den, der verraten wird. Weißt du es,
Teetee? Weißt du, für wen du arbeitest und warum?«
    »Fuck
you.«
    Teetee stand auf, doch Quirins Hand schoss blitzschnell vor. Sein Griff
war so fest, dass Teetees Gesicht sich vor Schmerz verzerrte.
    »Setz dich«, sagte Quirin. »Und hör mir zu.«
    Teetee sah sich um. Einige Gäste warfen sich verstohlene Blicke zu. Die
Wirtin bahnte sich gerade den Weg zu ihnen, die Brotzeitplatte in der Hand.
Quirin hatte die Öffentlichkeit auf seiner Seite. Im Rabenwirt mussten sie sich
benehmen. Der Junge setzte sich, die Wirtin stellte den Teller ab und ging
wieder. Quirin wickelte das Besteck aus der Serviette und versuchte, so normal
wie möglich zu klingen.
    »So etwas passiert«, fuhr er fort. »Wir planten, bereiteten alles vor,
hatten die Pässe und den genauen Ablauf Dutzende Male durchgespielt. Die CIA
hielt sich zurück, es war unsere Sache, die drei rauszuholen. Bis Sassnitz
verlief alles nach Plan. Doch dann verschwanden sie. Spurlos.«
    »Weil sie euch verarscht haben. Weil sie Schiss kriegten.«
    »Sie sind tot, Teetee.«
    »Woher weißt du das? Vielleicht leben sie glücklich und zufrieden auf
ihrer Datsche im Oderbruch?«
    »Sie hatten in der gleichen Nacht in Rumänien einen Autounfall. Bei aller
Liebe, Teetee, kein Mensch schafft es, zur gleichen Zeit in Sassnitz auf dem
Bahnhof zu sein und in den Karpaten in eine Schlucht zu stürzen.«
    Teetee schwieg. Quirin bot ihm etwas von seinem Teller an, aber er lehnte
ab.
    »Ich habe Jahre gebraucht, um damit klarzukommen. Dann kam die Wende. CIA
und BND teilten sich einen Dienstsitz in Berlin. Ich bat um meine Versetzung.
Der Abzug der Russen und so weiter.«
    Teetee nickte. G'schichten aus der Wendezeit, sagte sein Gesichtsausdruck.
    »Unsere amerikanischen Freunde hatten immer noch ihr Agentennetz in der
untergehenden DDR. Ich bekam den Tipp, dass in Schwerin noch Akten über einen
gewissen Lindner existierten. In Berlin war ja alles schon im Reißwolf
gelandet. Ich fuhr nach Schwerin in die alte Außenstelle des MfS am
Demmlerplatz. Aber ich kam zu spät. Auch dort rauchten die Schredder. Nichts
über Lindner, nichts über dieses Himmelfahrtskommando Mitte der achtziger
Jahre. Alles, was es gab, war ein Querverweis. Eine einzige, winzige Meldung
aus einer ganz anderen Abteilung. Einem anderen Dienst.«
    Teetee runzelte die Stirn. Querverweise waren eine heikle Angelegenheit.
Meistens konnte man sie nicht verwerten, weil sie keine Beweiskraft hatten.
    »Deckadressen und tote Briefkästen der CIA«, sagte Quirin. »Die Stabs- und
Steuerungsstelle Referat II

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