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Herrmann, Elisabeth

Herrmann, Elisabeth

Titel: Herrmann, Elisabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeugin der Toten
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Teppiche, schwere Seidengardinen, polierte, dunkle
Wandvertäfelungen. Quirin hatte sich einmal auf dem Weg zu den Waschräumen nach
oben verirrt und dabei kurz Gelegenheit gehabt, einen Blick auf den gewaltigen
runden Tisch in der Eingangshalle zu werfen, den Kamin mit dem künstlichen
Feuer und die riesigen Ölschinken an den Wänden, bevor ihn zwei sehr
freundliche junge Herren eingefangen und wieder nach unten begleitet hatten.
    Unten
waren die Räume, in denen es zur Sache ging.
    Im Kamin
brannte ein echtes Feuer. Kellermann stand an der Bar und suchte nach
Hochprozentigem. Er nickte Quirin nur kurz zu und beachtete ihn nicht weiter.
Langhoff, Leiter der operativen Aufklärung Ost, bewunderte ein Gemälde von
Thomas Cole, Hudson River and Catskill Mountains. Er war ein
großer, schlanker Mann mit einer aufgesetzt noblen Attitüde, die Quirin
genauso mochte wie seine Art, beim Reden ständig auf seine polierten
Fingernägel zu schauen.
    Außer
ihnen waren noch zwei Personen im Raum. Eine sehr junge Frau mit
puertoricanischen Zügen unterhielt sich mit einem Mann, der sich gerade zur Tür
umgedreht hatte und den Neuankömmling nun begrüßen wollte.
    »Lindner«,
stellte er sich vor. Er klang nervös. Auf der Suche nach Verbündeten, die ihm
durch diesen Abend helfen würden, dachte Quirin. »Richard Lindner.«
    Lindner
musste Mitte zwanzig sein, also nur ein paar Jahre jünger als Quirin, ein
gutaussehender, aber in diesem Kreise deplatziert wirkender junger Mann. Er
trug einen billigen Anzug, und die Krawatte war etwas verrutscht. Er war
nervös. Niemand sonst war das. Es war ein inoffizielles Treffen unter
alliierter Aufsicht. Alle im Raum kannten das, nur Lindner nicht.
    Quirin
stellte sich vor. Die Puerto-Ricanerin schenkte ihm ein colgateweißes Lächeln.
    »Angelina
Espinoza. Ich bin Mitarbeiterin der US-amerikanischen Botschaft in Bonn-Bad
Godesberg.«
    Sie sprach
ein fast akzentfreies Deutsch. Quirin erwiderte ihren Händedruck. Sie trug ein
marineblaues Kostüm mit flachen Schuhen, das an jeder anderen Frau langweilig
gewirkt hätte. Obwohl sie so jung war, ließ ihr Auftreten keinen Zweifel: Sie
wusste, was sie wollte, und sie wusste, wie sie es bekam. Elite-Universität, Department
of Foreign Affairs, Karriere. Hungrig und ehrgeizig.
Er tippte außerdem auf ein reiches Elternhaus, aber dafür waren ihre Brillantohrstecker
vielleicht zu klein.
    Kellermann
hatte mittlerweile etwas in der Bar gefunden und sich einen Doppelten
eingeschenkt. Er schwenkte den Tumbler und kam auf Quirin zu, ließ aber die
Rückansicht von Angelina dabei nicht aus den Augen.
    »Scheißwetter«,
sagte er zur Begrüßung und hob das Glas. »Ich hasse Berlin im Winter.«
    Angelina
lachte, Lindner schwieg. Langhoff riss sich von dem Gemälde los und schenkte
ihnen nun auch die Gnade seiner Aufmerksamkeit.
    »Kaiserley.
Immer dabei, wenn es was zu holen gibt, was?« Er klopfte ihm wohlwollend auf
die Schulter. »Einer unserer Besten. Der wirbt euch alles weg, bevor ihr bis
drei zählen könnt.«
    »Scheißwetter«,
wiederholte Kellermann.
    Er hatte
ein Alkoholproblem. Alle wussten das. Niemand sprach ihn darauf an.
    Eine
Hausangestellte mit gestärkter Schürze servierte so etwas wie Mini-Hamburger.
Leicht angebratenes Tatar mit Kaviar und Creme fraiche. Kellermann schob sich
einen in den Mund und verzichtete auf die angebotene Serviette. Lindner lehnte
ab. Er war nicht zum Essen hergekommen. Immer wieder ging sein Blick zur Tür,
hinter der ein weiterer MP-Posten Wache hielt.
    »Ich liebe
Berlin«, sagte Angelina. »Es ist ein Ort mit Geschichte. «
    »Das sind
alle Orte«, erklärte Kellermann mit vollem Mund. »Sogar der Andreas-Graben. Ich
ziehe Düsseldorf oder München vor. Saubere Straßen, intelligente Menschen.«
    »Hamburg«,
sagte Langhoff und prüfte unauffällig seine Fingernägel. Er mochte Kellermann
nicht. Quirin hingegen kam mit der hemdsärmeligen Art seines Chefs gut zurecht.
Vielleicht, weil sie beide Macher waren und keine manikürten Kulturtheoretiker.
»Kennen Sie Hamburg?«
    Die Frage
war an Angelina gerichtet.
    »Leider
nein. Und Sie?«
    Lindner
war kaum merklich zusammengezuckt. Alle schauten ihn an.
    »Nein. Eher
Bonn.«
    »Wie
langweilig.« Kellermann nahm sich den nächsten Hamburger vom Tablett. »Prag.
Moskau. Petersburg. Alles Orte, in denen ich nicht tot überm Zaun hängen will.
Na, ändert sich ja bald.«
    Quirin
wunderte sich, worauf Kellermann anspielte. In Moskau hatte es gerade wieder
einen

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