Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrndorf, Wolfgang - Sand

Herrndorf, Wolfgang - Sand

Titel: Herrndorf, Wolfgang - Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Troll Trollson
Vom Netzwerk:
davon hielt einen Bleistiftstrich in der Hand wie einen Wagenheber, eins hockte etwas abseits in einem Jeep.
    «Und der Jeep kam von da, ja? Richtung Tindirma. Und sie waren hinter dir her, also kommst du vermutlich auch aus Tindirma. Egal. Aber zwischen hier und der Oase finden sie irgendwo den Geldkoffer oder das lose Geld, das sie aufhält, sodass sie nicht direkt hinter dir sind, sondern in einigem Abstand.»
    «Ja und?»
    «Sekunde.»
    «Das ändert nichts daran, dass ich nicht Cetrois sein kann.»
    «Ich glaube, ich weiß es.» Helen schaute noch eine Weile auf die Zeichnung. Dann schaute sie Carl an. «Du hast doch eine Dschellabah angehabt, oder? Über deinem karierten Anzug. Die du auf der Flucht ausgezogen hast. War die zufällig weiß?»
    Er nickte.
    «Die vier Männer hatten weiße Dschellabahs an. Der alte Fellache hatte eine schmuddlig-weiße Dschallabah an, der Tote unter dem Flaschenzug auch. Und lass mich raten: Der Typ auf dem Moped war nicht wesentlich anders gekleidet.»
    «Das ist Spekulation. Aber egal, worauf du hinauswillst, das funktioniert nicht –»
    «Sekunde. Du fliehst also vor deinen Verfolgern in die Scheune. Du bist hier, und sie sind hier, und jetzt ist die Frage, was sehen sie? Sie sehen aus großer Entfernung, wie einer mit weißer Dschellabah reinrauscht in die Scheune, und gleich darauf kommt einer auf dem Moped wieder raus. Schwarze Haare, weiße Dschellabah, wie ihr Brüder halt so ausseht. Und da denken die natürlich, dass du das bist, Cetrois.»
    «Das funktioniert nicht.»
    «Ich war noch nicht fertig.»
    «Aber das funktioniert nicht, weil sie mir den Schädel eingeschlagen haben. Und wenn sie mir den Schädel einschlagen, wissen sie auch, dass ich das nicht gewesen sein kann auf dem Moped.»
    «Und woher weißt du, dass sie dir den Schädel eingeschlagen haben?»
    «Soll das ein Witz sein?»
    «Sie haben gesagt, sie haben einem Typen den Schädel eingeschlagen.»
    «Ja, einem Typen! Aber nicht Cetrois.»
    «Davon rede ich.» Verständnisloses Gesicht.
    «Ich weiß nicht, ob du das vergessen hast», sagte Helen, «aber du warst nicht der Einzige in dieser Scheune mit eingeschlagenem Schädel.»
    Sie malte ein Strichmännchen in die quadratische Bodenluke.
    «Aber den hab ich erschlagen! Mit dem Flaschenzug.»
    «Woher weißt du das? Du hast gesagt, sechs Meter etwa. Vier oder fünf Meter hoch war die Luke über dem Boden und dann der Flaschenzug noch mal zwei Meter über der Luke. Und die Kette läuft über mehrere Rollen. Das macht doch ein ziemliches Getöse, oder? Oder war das lautlos?
    Nein. Und wie schnell hat sich der Flaschenzug in Bewegung gesetzt, als du ihn mit der Leiter angestoßen hast?»
    «So.» Carl senkte seine flache Hand. «Erst langsam, und dann kam der in Gang und dann so.»
    «Und du glaubst, sechs Meter unter diesem in Zeitlupe auf ihn zurasselnden Flaschenzuggetöse steht ein Mensch und wartet, bis es ihm den Schädel einschlägt?» Helen malte Kettengekringel in die Luke und über den kreisrunden Kopf des Strichmännchens. «Der guckt doch hoch. Wenn da jemand steht, guckt der doch hoch. Wenn du mich fragst, gibt es nur drei Möglichkeiten, warum der nicht hochguckt. Erstens, der ist taub. Möglich. Aber unwahrscheinlich. Zweitens, der schläft. Was nach dem Krach, den du zuvor schon gemacht hast, ebenfalls nicht sehr wahrscheinlich ist. Und, dritte Möglichkeit, der ist schon tot. Bewusstlos oder tot. Und zwar, weil ihm jemand vorher mit einem Wagenheber den Schädel eingeschlagen hat.»
    Carl kratzte sich am Hinterkopf.
    «Und schau dir überhaupt mal deine Wunde an. Weißt du, was ein Wagenheber ist? Wenn dir damit einer eins überzieht, ist dein Schädel Matsch. Was du da hast, ist eine leichte Platzwunde, da hat dich ein Wagenheber nicht mal gestreichelt.»
    Sie drehte das Papier ein Stück herum und zeichnete ein weiteres Strichmännchen auf einem Moped weitab der Scheune und schrieb «Cetrois» in Anführungszeichen drüber.
    Carl sagte nichts.
    «Also wenn du mich fragst, ist das ganz logisch», sagte Helen. «Natürlich kann ich es nicht mit Sicherheit sagen. Aber wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, bevorzuge man die einfachste. Ich glaube erstens nicht, dass du die Männer falsch verstanden hast. Und zweitens glaube ich nicht, dass du das Mädchen falsch verstanden hast. Ich würde von drei Parteien ausgehen.»
    Sie umkringelte der Reihe nach die Gruppen auf dem Papier. «Du bist die eine Partei. Deine Verfolger sind die zweite, und die

Weitere Kostenlose Bücher