Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
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Er schleift mich um die Ecke in eine Nebenstraße hinein. Ich habe auf einmal keine Kraft mehr, mich zu wehren. Als das Fleisch ganz aus meinem Blick verschwunden ist, will ich sterben.
Abrupt bleiben wir stehen. Der Mann packt mich bei den Schultern und dreht mich um. Ich wende den Kopf und sehe ihn verständnislos an.
Er gibt mir einen Stoß, sodass ich zwei Schritte vorwärts mache. Dann zeigt er mit dem ausgestreckten Arm auf den Boden.
Langsam sehe ich nach unten. Zu meinen Füßen liegt eine tote Frau.
Ihr rechtes Bein fehlt.
Ich stürze auf die Knie und erbreche mich. Die Krämpfe hören nicht auf. Als ich alles herausgewürgt habe und aus meinem Mund nur noch gelblicher Schleim auf das Pflaster tropft, lasse ich mich zur Seite fallen, ziehe die Beine vor die Brust und weine laut.
Ende des achten Belagerungsmonats beginnen die Numantiner, ihre Toten zu essen. Im neunten Monat töten sie zu diesem Zweck die Kranken und Schwachen. Gegen Ende des neunten Monats der Blockade wird erneut eine Abordnung bei Scipio vorstellig. Sie erklären, dass Numantia nunmehr die bedingungslose Kapitulation akzeptiert, dass man sich aber im Auftrag derer, die den Entschlussnicht mittragen, einen Tag Frist ausbedingt. An diesem Tag töten sich alle, die den endgültigen Untergang der einst stolzen Stadt nicht miterleben oder sich nicht der römischen Gnade ausliefern wollen. Die Stolzesten tun dies im Rahmen eines letzten Kampfspieles, in dessen Verlauf die Besiegten dankbar durch das Schwert ihres Kameraden sterben, und sich die Sieger in die Flammen ihrer brennenden Häuser werfen.
Am folgenden Tag verlässt unter den entsetzten Augen der römischen Legionäre ein langer Zug ausgemergelter Gestalten die Stadt. Schmutzig, stinkend, mit langen wirren Haaren und Fingernägeln, die an Krallen erinnern, allerdings mit wildem, hasserfülltem Blick übergeben sie ihre Waffen, die Stadt und sich selbst.
Der Fall von Numantia bedeutet das endgültige Ende des keltiberischen Widerstands in Spanien. Dafür sorgt nicht zuletzt die Art und Weise, mit der Scipio mit den Besiegten verfährt. Er lässt die Stadt niederbrennen (eine Provokation an die Adresse des Senats, dessen Zustimmung er eigentlich gebraucht hätte) und verteilt das Land der Arevaci an die benachbarten Stämme, die die Römer unterstützt haben. Von den Numantinern sucht er sich 50 aus, die in seinem Triumphzug in Rom vor seinem Wagen herlaufen werden. Diejenigen, die nach all den Strapazen noch in einer halbwegs annehmbaren Verfassung sind, verkauft er in die Sklaverei, um einen Teil seiner Kriegskosten zu decken.
Hispania wird in den Folgejahren eine ganz normale römische Provinz und damit Bestandteil des römischen Wirtschaftssystems und der Militärmaschinerie. Die Menschen lernen römische Wertvorstellungen und religiöse Aspekte kennen, machen sie zu ihren eigenen. Und doch überlebt auf der Iberischen Halbinsel das keltische Element bis in unsere Tage. Nicht einmal zehn Jahre nach dem Untergang von Numantia wird jenseits der Pyrenäen das Ende der keltischen Identität auf dem europäischen Festland eingeläutet …
Gallischer Krieg oder Krieg der Gallier?
Hilferuf mit Folgen
Ab 200 v. Chr. beginnen römische Händler sich für die Kelten nördlich der Alpen zu interessieren. Den ersten militärischen Kontakt mit Galliern haben die römischen Legionen auf dem Landweg nach Spanien, wohin sie erst gegen Karthago und anschließend gegen die Keltiberer und Lusitanier ins Rennen geschickt werden. Aber schon damals ziehen einige Feldherren es vor, ihre Legionen in Genua einzuschiffen und über den Seeweg nach Tarraco an der spanischen Ostküste zu bringen. Denn so konnten sie Raubüberfällen der kelto-ligurischen Saluvii in Südgallien entgehen, die die Küstenregionen um Massalia bevölkern. Wer sich allerdings wilde, verlotterte, unzivilisierte, in den Wäldern hausende Gesellen vorstellt, liegt gründlich falsch. Durch den permanenten Kontakt mit der griechischen Hafenstadt Massalia sind die Saluvii ein hoch entwickeltes Volk. In ihrer Hauptstadt, dem heutigen Entremont, etwa wohnen sie in eher griechisch anmutenden Siedlungen. Die Saluvii pflegen ausgedehnte Handelsbeziehungen und sind dem mediterranen Luxus nicht abgeneigt. Daher nutzen sie auch das Know-how ihrer Nachbarn, um selbst Oliven und Wein anzubauen.
Dennoch, so ganz abwegig ist der Begriff »Räuber« nicht. Denn die Saluvii mögen zwar kultiviert sein, friedliebende Bauern sind
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