Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
sie nicht. Immer wieder kommt es zu Übergriffen auf Warentransporte von und nach Massalia oder sogar auf die Bagagewagen der Legionen, die saluvisches Territorium durchqueren.
Um 124 v. Chr. erreicht die zwischen Rhônemündung und Pyrenäen operierenden römischen Truppen ein Hilferuf aus Massalia, das sich unter massivem Druck der Saluvii sieht. Aufgrund eines Beistandsabkommens zwischen Rom und der griechischen Handelsstadt sieht sich Ersteres zum Eingreifen verpflichtet. Und das geschieht mit ganzer Konsequenz. Die Legionen sprengen erst den saluvischen Belagerungsring um Massalia. Dann greifen sie Entremont an, belagern es ihrerseits erfolgreich und zerstören die Stadt. Um die Region nachhaltig zu befrieden, errichten sie in unmittelbarer Nähe anschließend einen Militärstützpunkt namens Aquae Sextiae, das heutige Aix-en-Provence.
Dies ist der erste Schritt zu einer permanenten römischen Präsenz in Gallien.
Der Anführer der Saluvii ist während des Krieges zu den keltischen Nachbarn, den Allobrogen, geflohen. Als diese sich weigern, den saluvischen Anführer an die Römer auszuliefern, kommt es 122 v. Chr. zu einem weiteren Krieg zwischen Galliern und Römern.
Was die Römer nicht wissen oder unterschätzen: Im Gallien des 2. vorchristlichen Jahrhunderts steht kaum ein Stamm allein. So sind die Allobrogen Klienten der mächtigen Arverner. Deren König Bituitus entsendet mit großem Pomp Botschafter, nebst Barden, die seinen Namen preisen sollen, zum römischen Oberbefehlshaber Gnaeus Domitius, um ihn vom Krieg gegen seine Klienten abzubringen. Als seinem Ersuchen nicht entsprochen wird, unterstützt der Arverner folgerichtig die Allobrogen in ihrem Kampf und wird geschlagen. Die Allobrogen erhalten formell einen neuen Herrn – Rom.
Bis zum beginnenden 2. vorchristlichen Jahrhundert unterteilt man im römischen Sprachgebrauch das bekannte keltische Siedlungsgebiet in Gallia cisalpina (Gallien diesseits der Alpen, im Wesentlichen die ehemals etruskische Poebene) und Gallia transalpina (Gallien jenseits der Alpen). Gallia cisalpina wird 191 v. Chr. römische Provinz; der sie im Süden begrenzende Fluss, der Rubicon, wird noch über Jahrhunderte hinweg symbolische Demarkationslinie zum römischen Kernland bleiben. Das nach dem Sieg über die Allobrogen von da an römisch besetzte Gebiet jenseits der Alpen wird ebenfalls mit römischen Verwaltungsstrukturen versehen und heißt zunächst noch Gallia ulterior (das entfernt gelegene Gallien). Vier Jahre später errichtet Rom in der keltischen Stammessiedlung Narbo (Narbonne) mit der Colonia Narbo Martius eine weitere Militärbasis. Zusammen mit den umgebenden Gebieten wird dieser Teil künftig Gallia Narbonensis genannt. Durch das nunmehr (nach römischen Maßstäben) befriedete Südgallien baut Rom eine Marschstraße für seine Legionen, die das Mutterland mit der sich auf der Iberischen Halbinsel entwickelnden Provinz Hispania verbindet. Aber es tut mehr als das. Es formt den gesamten Küstenstreifen nach den ihm vertrauten Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen.
Umgangssprachlich heißt Gallia Narbonensis bei den Römern nur »die Provinz«, woraus sich der für den französischen Teil dieses Gebietes immer noch geltende Name »la Provence« ableitet. Sie grenzt im Westen an die neu gewonnenen Gebiete in Spanien und bildet damit zusammen mit der Provinz Hispania Tarraconensis (nach der Küsten- und Garnisonsstadt Tarraco) eine lückenlose nördliche römische Begrenzung des westlichen Mittelmeeres. Massalia heißt ab jetzt Massilia.
Jenseits der Grenzen der Provinz liegt wildes Land. Zwar weiß man inzwischen in Rom, dass sich jenseits ihrer Grenzen nicht das Land von primitiven, zurückgebliebenen, in Erdlöchern hausenden, verwahrlosten Naturvölkern befindet. Es hält Rom jedoch nicht davon ab, den nicht römischen Teil Galliens mit dem despektierlichen Namen Gallia comata – das »haarige Gallien« zu belegen.
Dieses ist eine Region, die weit davon entfernt ist, so etwas wie eine einheitliche »Nation keltischer Natur« zu sein. Sie besteht aus mehreren Machtblöcken, deren einzelne Stämme keinen Heimatgedanken im modernen Sinne kennen. Sie alliieren sich mit jedem, der ihnen zu einem gewünschten Machtvorteil verhelfen kann, und derjenige muss nicht notwendigerweise dem gemeinsamen keltischen Ursprung entstammen. So sind zum Beispiel die Aedui einer der Stämme Galliens, die unter der Expansionspolitik der Arverner zu leiden haben. Schon
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