Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
Geschäftliche regeln, damit wir uns danach ganz und gar unbelastet deinem Wohlergehen in meinem Hause widmen können.«
Sotírios neigt den Kopf in Zustimmung. Der Hauptteil des Schauspiels hat begonnen.
Gemeinsam treten sie zu dem am nächsten stehenden Wagen, und Demetros bedeutet Nikólaos, dass er die Leinwand von der Ladung herunterziehen soll, damit Orestorios einen Blick auf die Ware werfen kann.
Fein aufgereiht stehen die Amphoren auf der Ladefläche. Mit geheimnisvollem Gesicht winkt Sotírios Orestorios zum hinteren Teildes Wagens und zieht die Plane von den letzten vier Gefäßen, die geheimnisvolle rote Symbole tragen. Die beiden Männer blicken sich an und nicken. Überlaut sagt Sotírios: »Allein diese vier Amphoren sind mehr wert, als alle anderen Wagen zusammengenommen.«
Wissend wiegt Orestorios den Kopf. Genauso laut fragt er zurück: »Und was wäre wohl der Preis für diese Spezialität?«
Sotírios wendet sich zur Seite, sieht in die verständnislosen Augen Nikólaos, dann neigt er sich nach vorn und flüstert Orestorios etwas ins Ohr. Der tritt überrascht einen Schritt zurück. »Einen Mann für jede dieser vier Amphoren?«, brüllt er. »Zusätzlich zu den Silberbarren für die anderen?«
Ein Raunen geht durch die Menge, und auch Nikólaos fällt die Kinnlade runter. Dieser Preis ist horrend! Ist Sotírios verrückt geworden? Dieser riesige Krieger wird sie vermutlich einfach töten lassen und den Wein behalten! Gehetzt dreht er sich um. Wo war gleich noch mal der Weg zum Tor?
Sotírios steht ungerührt da und hebt bedauernd die Schultern. Ergeben senkt Orestorios den Kopf. »Nun, wenn ich meinen Kriegern diese Besonderheit nicht vorenthalten will, werde ich diesen Preis wohl bezahlen müssen. Unserer Freundschaft soll das keinen Abbruch tun; also lass uns über den Preis nicht mehr reden.«
Anerkennendes Murmeln wird laut. Vereinzelt hört man die Rufe »Hoch Orestorios!« und »Die Götter mögen ihm seine Großzügigkeit vergelten!«
Nikólaos steht immer noch erstarrt mit offenem Mund da. Doch Sotírios und Orestorios sehen sich zufrieden an. Zufrieden und wissend. Natürlich weiß Sotírios, dass in den vier Amphoren derselbe Wein ist, wie in all den anderen auch. Natürlich weiß er, dass die Amphoren nur deshalb die seltsamen roten Symbole tragen, weil er sie selbst vor vier Tagen daraufgemalt hat. Natürlich weiß Sotírios auch, dass es auf der ganzen bekannten Welt keinen Wein gibt, der einen derart hohen Preis rechtfertigt. Und vor allem weiß er, dass auch Orestorios all das weiß …
Orestorios, der Grosszügige …
Es sei einmal dahingestellt, ob Sotírios die vier Sklaven nachher wirklich erhalten wird. Er hat das Spiel mitgespielt und kann sich weiterer guter Geschäfte mit Orestorios sicher sein. Und selbst, wenn Orestorios diesen Preis tatsächlich bezahlen sollte, so wird er ihn keineswegs als zu hoch erachten. Er kauft damit ja keinen Wein (zumindest nicht in erster Linie), sondern viel wichtiger als der Wein ist das Verkaufsgespräch auf dem Markt gewesen. Denn jeder, der diesem Gespräch beigewohnt hat, wird es jetzt für das Begehrenswerteste überhaupt halten, zu diesem Fest eingeladen zu werden.
Gehört man schließlich zu den auserwählten Gästen, dann ist ein weiteres wichtiges Element die Sitzordnung. Man sitzt in einem Kreis mit dem bedeutendsten Mann der Runde in der Mitte. Sind hochrangige Gäste anwesend, so ist deren Platz neben dem Führer des gastgebenden Stammes. Das bringt zum Ausdruck: ›Seht her, ich bin so bedeutend, dass mich Gesandte anderer Stämme aufsuchen!‹ Großzügig gewährte Gastfreundschaft erhöht jedoch nicht nur den Status im eigenen Stamm. Auf der Basis von Besuchen und Gegenbesuchen, gewährter und empfangener Gastfreundschaft, entstehen stammesübergreifende Bindungen, die die Form weitverzweigter Netzwerke annehmen. Mit zunehmender Entfernung vom Stammesführer folgen in der Sitzordnung dann die anderen Rangabstufungen. Hinter den geladenen Kriegsherren stehen die jeweiligen Schild- und diesen gegenüber die Speerträger.
Die Regel ist, dass bei einem Gelage jeder seinen Platz kennt und dementsprechend auch einnimmt. Theoretisch kann ein Krieger jedoch auch einen Platz einnehmen, der an und für sich einem Mann mit einem höheren Status zusteht. Das ist dann eine klare Herausforderung. An dieser Stelle gibt es zwei Möglichkeiten: Er bleibt unangefochten sitzen, was bedeutet, dass er sich offenbar zwischen dem letzten
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