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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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effektvoll darüber berichten können. Eloquenz steht hoch im Kurs bei den Kelten. Neben Kämpfen und Feiern gehört jede Art von Rats- und sonstigen Versammlungen zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. Das effektvolle Reden wird derart kultiviert, dass später wohlhabende Römer keltische Aristokraten als Rhetoriklehrer beschäftigen.
    Der ideale Anführer eines Stammes oder Clans ist ein charismatischer Mann von hoher Statur in den besten Jahren, Anfang bis Mitte 30, kerngesund und ohne ernsthafte Blessuren wie fehlende Gliedmaßen oder Entstellungen. Die ungeschriebenen Regeln sind strikt. Der Herrscher muss der stärkste Krieger des Volkes sein. Eine altirische Erzählung berichtet, dass der Anführer einer der Parteien in einer Schlacht seine Hand verliert, die durch eine perfekte silberne Prothese ersetzt wird. Obwohl ein großer Anführer, darf er aufgrund dieser Verletzung nicht mehr Oberster seines Stammes sein. Manchmal geht die keltische Kriegergesellschaft noch drastischere Wege. Ist ein Herrscher auf der einen Seite zu alt oder zu krank, um in den Augen der Gemeinschaft noch Anführer sein zu können, auf der anderen Seite aber zu starrsinnig, um von sich aus zurückzutreten, dann fühlt sich die Gemeinschaft in ihrem Fortbestand bedroht. Wenn die heiligen Männer des Stammes, die Druiden, die Sache genauso sehen, dann ist das Schicksal des renitenten Führers besiegelt. Die Krieger des Stammes werden ihn mit Hilfe der Druiden im Rahmen einer rituellen Hinrichtung beseitigen. Danach wird ein neuer Anführer gewählt. Eine erbliche Thronfolge gibt es nicht.
    Stammesführer ist jedoch keine Position, auf der man sich ausruhen kann, wenn man sie einmal innehat. Das Machtgefüge des Stammes ist ständig in Bewegung. Die Krieger stehen im permanenten Konkurrenzkampf untereinander, stets auf der Suche nach Möglichkeit, sich zu bestätigen. Man zieht in die Schlacht, um besondere Taten zu vollbringen – oder auch Schwächen bei den anderen zu beobachten. Das Ansehen, das man sich erwirbt, bringt Anhänger aus den niederen Rängen, die durch Abgaben aus ihrer landwirtschaftlichen Produktion die materielle Grundlage des Kriegsherrn sicherstellen und die Zahl derjenigen vergrößern, die ihm in die nächste Schlacht folgen werden. Ein Kriegsherr, der Abgaben von vielen erhält und somit zum Teil recht beachtliche Vorräte ansammeln kann, ist auch derjenige, den freie Bauern im Falle von Missernten um Hilfe bitten. Das lässt sie ebenfalls zu Abhängigen werden, die seine Gefolgschaft vergrößern. Auf der anderen Seite ermöglichen ihm die Überschüsse aus den Abgaben sowie die Beute aus seinen Schlachten, Handwerker zu unterhalten, die exklusive Güter zum Zeigen und Verteilen für ihn produzieren: prächtige Kleidung, hochqualitative Waffen, goldene Halsringe, und relativ früh auch schon goldene Münzen. Was er nicht selbst herstellen lassen kann (wie guten Wein), kauft er ein. Mit diesen Luxusgütern bindet er andere hohe Krieger an sich, die wiederum ihr eigenes Gefolge, ihre eigenen Beziehungsgeflechte haben. Nicht zu vergessen sind auch Bündnisse, die man durch Zweckehen eingeht, oder Söhne, die man zum Zwecke einer gediegenen Kriegerausbildung und zur Aufwertung der eigenen Linie in Familien höhergestellter Krieger aufziehen lässt.
    Nach der Pflicht kommt die Kür. Am Ende dieser ständigen Jagd nach Wohlstand und Ansehen steht das oben beschriebene Gelage, das er entweder selbst ausrichtet oder zu dem er aufgrund seines Ansehens eingeladen wird, und auf dem man von ihm erwartet, dass er seinen Platz in der Rangordnung des Stammes einnimmt, verteidigt oder verbessert, indem er mit seinen Taten, seiner großen Gefolgschaft, seinem Wohlstand oder seinen neuen Bündnissen protzt.
    Ab dem späten 2. vorchristlichen Jahrhundert nimmt in Gallien die Macht der Kriegeraristokratie als Gruppe einen formellen Charakter an. Der Anführer herrscht nicht mehr allein. In großen Stammesgemeinschaften entstehen Strukturen, die auf frappierende Art und Weise an das Herrschaftssystem in Rom erinnern. Bei demStamm der Aedui gibt es einen vergobret , einen Magistrat, der für den Zeitraum eines Jahres gewählt wird und in dieser Zeit das Stammesterritorium selbst im Kriegsfall nicht verlassen darf. Und die Kelten haben offensichtlich dieselbe Angst wie die Römer: dass ein Clan allein zu große Macht auf sich vereinigen könnte. Denn während Letztere es nicht gestatten, dass ein Mann zweimal das höchste Amt der

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