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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Die verschiedenen Stämme (unter wessen Führung auch immer) wachsen auf ihrem Marsch zu einer neuen Gemeinschaft zusammen und entwickeln als solche sogar so etwas wie eine eigene Identität. Diese behalten sie bei, als sie ihr neues Siedlungsgebiet erreichen, nicht zuletzt auch durch das Abbrechen aller Verbindungen in die alte Heimat. Zu erkennen ist dies an der Kunst. Der mitgebrachte La-Tène-Stil entwickelt hier eine eigene Schule.
    Den eigentlichen Beweis liefert jedoch der heutige Name der Region selbst. Das Gefühl, eine geschlossene Gemeinschaft mit eigenen Traditionen und Werten zu sein, ist so stark, dass sie sich selbst einen eigenen stammesübergreifenden Namen gibt: Boii. Das Land, das sie besiedeln, nennen sie »Heimat der Boii« – Boihaemum, heute Böhmen.
    Bei allem Zusammengehörigkeitsgefühl behalten die einzelnen Stammesgemeinschaften der Boii jedoch auch einen gewissen eigenen Charakter. Bis ins späte 2. vorchristliche Jahrhundert hinein lassen sich 112 Unterstämme der Boii unterscheiden. Schon bald nach der Landnahme ist es mit dem friedlichen Miteinander vorbei. Es kommt zu inneren Unruhen, etliche der Stammesgruppen brechen auf und suchen neue Siedlungsgebiete. Einige ziehen nach Osten durch das Donautal bis zum Balkan. Sie bzw. ihre Nachfahren machen hier später Bekanntschaft mit ihrem ambitionierten makedonischen Nachbarn Alexander dem Großen. Andere zieht es nach Süden und auch nach Westen. Am Ende verlassen so viele lebenswichtige Krieger und Handwerker die Region, dass das große Siedlungszentrum in Zavist bei Prag zusammenbricht und eine aus weit verstreuten isolierten kleinen Höfen bestehende Ackerbaugesellschaft zurückbleibt. Wahrscheinlich ist dies eines der ersten dokumentierten Beispiele für das, was man in der modernen Wirtschaft als »brain drain« bezeichnet, eine existenzbedrohende Abwanderung von Fachkräften.
    Auch hinsichtlich der Wanderung des Bellovesus konnten Archäologen nachweisen, dass in Übereinstimmung mit dem Bericht des Livius tatsächlich Kelten in großen Zahlen über die Alpen nach Norditalien strömten und sich in der Poebene festsetzten.
    Möglicherweise gibt es außer den göttlichen Zeichen, die Bellovesus den Weg über die Alpen gewiesen haben sollen, noch eine weitere, weitaus profanere Erklärung für den Aufbruch nach Süden. Ursprünglich hatten Impulse aus dem aufstrebenden Etrurien den Kelten im zentralen Siedlungsgebiet neue Handelsgüter und einen neuen Stil in der Kunst gebracht und damit den Lebensstil der La-Tène-Zeit begründet. Doch dieser Luxus war nur wenigen vorbehalten, weil er lange, teure Wege reisen musste. Ist es so abwegig, dass die Kelten das Verfahren nun abkürzen und einfach direkt zur Quelle des Wohlstands vordringen wollten?
    Tatsache ist jedenfalls, dass die Neuankömmlinge in Norditalien schnell Gefallen an den Vorzügen ihrer neuen Umgebung finden. So sind Keramik, bronzenes Trinkgeschirr, Fibeln und Schmuck nun Gegenstände des täglichen Bedarfs und keine Luxusgüter mehr wie zuvor in der nordalpinen Heimat, sondern gehören hier zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs. Trotzdem haben die neuen Siedler nicht vor an ihrer grundlegenden Lebensweise etwas zu ändern. Sie leben nach wie vor in versprengten Höfen direkt bei dem Land, das sie bewirtschaften und bei den Wäldern, in denen sie Schweinezucht betreiben. Zum Schutz der Vorräte und der Menschen errichten sie auch hier befestigte Hügelsiedlungen.
    Und noch etwas passiert. Was bislang vielleicht nach der geschlossenen Bewegung einer homogenen Masse klingt, ist in Wirklichkeit, wie bei den Boii, nur die Zweckverbindung einer großen Anzahl von Einzelstämmen, die sich ihrer eigenen Identität durchaus bewusst sind. Der Beweis: Kaum erreichen sie das prophezeite Land, fällt der riesige Stammesverbund mehr oder weniger schnell auseinander. Eindeutig identifizierbare keltische Einzelstämme sind zum Beispiel die Insubrer, die die älteste der in diesem Zug entstehenden großen keltischen Ansiedlungen gründen. Die Festung Mediolanum in der Lombardei hat einen Teil ihres keltischen Namens bis in die Gegenwart gerettet und heißt heute Milano – Mailand. Auch reißt mit den Gefolgsleuten des Bellovesus die keltische Einwanderung über die Alpen nicht ab. Im Gegenteil. Nur kurze Zeit später entstehen Brixia, das heutige Brescia, und Verona, die Hauptzentren des Stammes der Cenomani.
    Dadurch, dass immer mehr Kelten über die Berge nach Norditalien ziehen,

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