Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur
nämlich als Diplomaten eines gleichberechtigten, unabhängigen Volkes, werden sie von den Bürgern Roms beschimpft. Einzelne Senatoren versuchen einzulenken, doch die Menge ist wild entschlossen, die Landsleute vor den Wilden zu schützen. Sie tut das allerdings mit Stil, nämlich über einen juristischen Winkelzug: Noch auf dem Platz erfolgt eine Abstimmung, die die drei Fabier in das Amt von Konsulartribunen erhebt. Die Gallier sind verwirrt, denn die Vergabe von Ämtern stand ihrer Information nach nicht auf der Tagesordnung! Abgesehen davon: Jemanden für einen Mord mit einer Funktion im Gemeinwesen und damit mit einem höheren Status zu belohnen ist ihnen neu. Was das ganze soll, verstehen sie erst, als man ihnen erklärt, dass die Inhaber dieser Ämter Immunität genießen und die Gallier ihren Antrag auf Auslieferung erst nach Ende der Amtszeit wiederholen können. Das wäre dann wohl in einem Jahr.
Wahrscheinlich macht sich niemand in Rom klar, dass der etruskischen Stadt Clusium damit mehr geholfen ist, als wenn Rom ihnen 10
000 Krieger geschickt hätte. Für den Senonenherrscher Brennus kann es auf diesen Affront nur eine Antwort geben, wenn er nicht das Gesicht bei seinen Gefolgsleuten verlieren will: Rom soll für diese Schmach bezahlen. Bewundernswert ist dabei die konsequente Umsetzung dieser Entscheidung. Von einem Tag auf den anderen bricht Brennus die Belagerung von Clusium ab und beginnt mit seinen 30
000 Kriegern einen Gewaltmarsch auf die Stadt am Tiber (die zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 20
000 Einwohner zählt). Die Menschen auf den Gehöften, den Landgütern und in den kleinen Dörfern fliehen vor den herannahenden Kelten in die Wälder, die Berge und hinter die sicheren Mauern der Städte – völlig unnötigerweise. Den Erzählungen zufolge unterbrechen die Kelten ihren Marsch nicht ein einziges Mal, um etruskische Ansiedlungen zu zerstören und zu plündern oder gar eine Stadt anzugreifen. Angeblich rufen sie im Vorbeiziehen den verängstigt von den Mauern herabschauenden Menschen sogar zu, dass sie nichts zu befürchten haben, weil ihr zorniger Marsch einzig und allein Rom zum Ziel hat.
Rom. – In der Stadt am Tiber ist alles ruhig. Sind die Bewohner gelähmt vor Angst? Oder glauben sie, dass sich »das Problem« von selbst erledigt, dass die Kelten (eine bei Kenntnis des Charakters dieses Volkes nicht wirklich völlig unmögliche Alternative) irgendwo zwischen Clusium und Rom die Lust an dem Feldzug verlieren und einfach umkehren? Nein. Es ist schiere Überheblichkeit, die den Senat der » urbs eterna «, der »Ewigen Stadt«, zu der Einschätzung bringt, dass man von einer Horde undisziplinierter Wilder nichts zu befürchten hat, solange man ihnen die römischen Werte entgegensetzt. Überheblichkeit, die am Ende beinahe dafür gesorgt hätte, dass die Ewigkeit der Ewigen Stadt lediglich 367 Jahre gedauert hätte. Mehrere Wochen lang passiert nichts, was in irgendeiner Form vermuten lässt, dass die Römer sich der akuten Bedrohung bewusst sind.
Es ist schließlich Hochsommer, Juli des Jahres 387 v. Chr., als die Kelten den Tiber überschreiten. Sie sind jetzt nur noch elf römische Meilen (= 15 Kilometer) von der Stadt entfernt, die zu diesem Zeitpunkt nicht etwa durch massive, hohe Mauern, sondern durch schlichte Erdwälle und Palisaden aus Holzpfählen geschützt ist.
Und noch immer geschieht nichts.
Erst am Zusammenfluss der Flüsse Allia und Tiber, nur noch etwa fünf Kilometer vor der Stadt, treffen die Scharen des Brennus am18. Juli auf den einzigen ernst zu nehmenden römischen Widerstand in Gestalt eines zahlenmäßig deutlich unterlegenen Heeres. Konkret kommen auf einen Römer drei Kelten.
Gerade einmal neun Jahre zuvor hat der erfolgreiche römische Feldherr und Diktator Marcus Furius Camillus im Rahmen der zehn Jahre andauernden Belagerung der etruskischen Stadt Veji verfügt, dass römische Soldaten während ihres Kriegsdienstes aus der Staatskasse zu entlohnen sind. Bis dahin bestand das Heer aus eingezogenen Bauern, die ohne Sold zum Kriegsdienst verpflichtet wurden. Aufgrund des landwirtschaftlichen Zyklus standen sie jedoch nur begrenzte Zeit pro Jahr zur Verfügung. Dadurch, dass ihre materielle Basis jetzt durch eine feste Zahlung gesichert wurde, hatten sie keine existenzielle Veranlassung mehr, in den Stoßzeiten das Heer zu verlassen und auf ihre Felder zurückzukehren.
Rom ist theoretisch bestens vorbereitet, um einer Bedrohung wie der der
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