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Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur

Titel: Herrscher der Eisenzeit - die Kelten - auf den Spuren einer geheimnisvollen Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zeigen.
    Was dann beginnt ist ein für beide Seiten zermürbendes Aussitzen der Situation. Die Gallier wissen zwar, dass sie nicht die großen Belagerer vor den Göttern sind, auf der anderen Seite haben sie natürlich nicht vor, auf die Schätze der »Ewigen Stadt« zu verzichten. Allerdings unterschätzen sie die Lage der Römer. Der kapitolinische Hügel ist kein trockener Felsen, auf dem man es keine Woche aushalten kann. Zum einen haben die Römer durch die drei Tage, die Brennus seinen Kämpfern gegönnt hatte, genug Zeit gehabt, nicht nur einen großen Teil der Schätze, sondern auch ausreichend Lebensmittel nach innerhalb der Befestigungen zu verbringen. Zum anderen verfügt das Kapitol über eigene Brunnen.
    Sieben Monate vergehen. Von Rom, der glänzenden, hellen Stadt, ist nicht mehr viel übrig. Die Kelten haben mitgenommen, was irgendwie zu transportieren geht, und das ist trotz der Sicherungsmaßnahmen immer noch eine beachtliche Menge. Insofern ist nachvollziehbar, dass man sich Zeit lässt, bevor man sich der letztenBastion zuwendet. Dass das überhaupt geschieht, ist jedoch nur teilweise den dort noch vermuteten Schätzen geschuldet. Die Vorräte werden mehr als knapp – und zwar auf beiden Seiten.
    Bei den Römern ist das nach sieben Monaten mehr als verständlich. Sie sind inzwischen so weit, dass sie ihre Gürtel und Schuhe sowie die Felle der geschlachteten und längst gegessenen Tiere weich kochen und verspeisen. Die Gallier dagegen, denen das weite Land offen steht, kranken an ihrer alten Schwäche: Ihre mangelnde Organisationsfähigkeit macht es ihnen unmöglich, eine Logistik aufzubauen, die die Versorgung der mehr als 30

000 Krieger sicherstellt. Darüber hinaus werden sie auch durch die Römer demoralisiert. Diese halten als eine frühe Form der psychologischen Kriegführung in regelmäßigen Abständen vorgetäuschte Festgelage an den Mauern des Kapitols ab, um den inzwischen selbst hungernden Kelten Kampfesmut und Wohlergehen vorzugaukeln.
    Ein wenig widersprüchlich erscheinen die Erzählungen, nach denen die Kelten unter der brütenden Hitze des Sommers gelitten haben sollen, was ihren Entschluss zu dem historischen Angriff auf das Kapitol bestärkt habe. Wenn die Schlacht an der Allia am 18. Juli des Jahres 387 v. Chr. stattfindet, diese nur knapp einen halben Tag dauert, Brennus die Krieger drei Tage ruhen lässt, bevor er in Rom einmarschiert (was einen weiteren Tag gedauert haben mag), so beginnt die keltische Besetzung der urbs eterna spätestens am 22. oder 23. Juli. Wenn die Belagerung nun sieben Monate dauert, dann liegt der Sturm auf das Kapitol im Februar, spätestens März. Hochsommerliche Temperaturen stellen also kein Entscheidungskriterium dar. Krankheiten dürften dagegen in Anbetracht der wahrscheinlich katastrophalen hygienischen Bedingungen durchaus eine ernsthafte Bedrohung gewesen sein.
    Nach sieben Monaten kommt es zu jenem denkwürdigen Zwischenfall, der noch heute die Gemüter der Historiker bewegt und von dem nach wie vor nicht geklärt ist, wie viel davon Realität und wie viel, nun, nennen wir es »kreative Geschichtsinterpretation« ist. Die Kelten versuchen, bei Nacht das Kapitol zu erstürmen. DieRömer werden jedoch durch die Gänse der Göttin Juno gewarnt (die ominöserweise überlebt haben sollen, während man inzwischen zum Zwecke des bloßen Überlebens seine Schuhe aß …) und können den Angriff zurückschlagen. Im Oberbefehlshaber der Wache, Marcus Manlius, der den Verteidigern vorsteht, findet man dann auch den Helden, den man die ganzen Monate zuvor so schmerzlich vermisst hat, und verleiht ihm den Beinamen »Capitolinus«. Konsequenterweise wird der diensthabende Offizier, der während seiner Wache eingeschlafen war, am nächsten Tag mit zusammengebundenen Händen von der Festungsmauer gestürzt.
    Eine wahre Geschichte? Oder doch eher der nachträgliche Versuch, die Niederlage der Römer, die zu diesem Zeitpunkt kurz vor ihrer kompletten Vernichtung stehen, nicht ganz so schlimm aussehen zu lassen?
    Durch den gescheiterten Angriff bleibt es beim Unentschieden. Die Lage der beiden Seiten wird immer verzweifelter. Schließlich werden Unterhändler ausgeschickt, und schon bald ist man sich einig: Die Gallier werden abziehen, wenn man ihnen einen Teil des Schatzes überlässt, den die Römer auf das Kapitol gerettet haben. Einen substanziellen Teil: 1000 Pfund in Gold. In heutiger Währung zehn Millionen Euro. Allein diese Forderung der

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