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Herrscher der Erde

Herrscher der Erde

Titel: Herrscher der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Herbert
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bezeichnen – aber ich wußte es. Und so sagte ich es einfach.«
    »Du hast eine von zweiundfünfzig erraten. Das ist nicht schlecht«, meinte ich.
    »Wir gingen das Paket durch, und ich sagte ihr jede Karte richtig – so wie sie sie einzeln betrachtete. Kein einziger Fehler.«
    Natürlich glaubte ich ihm nicht. Auf solche Geschichten stößt man dauernd, wenn man sich mit ESP befaßt, habe ich gehört. Und bei keiner steckt etwas dahinter. Aber ich war neugierig, warum er mir die Geschichte erzählte. War es deswegen, weil er, der alte Dorfjunggeselle, der Niemand, der von der Mildtätigkeit seiner Schwester lebte, wichtig erscheinen wollte?
    »Du hast ihr also jede Karte richtig genannt. Hast du einmal die Wahrscheinlichkeit dafür ausgerechnet?«
    »Ein Professor der Hochschule drüben tat dies für mich. Ich habe vergessen, wie groß sie ist. Er sagte, so etwas konnte unmöglich dem Zufall zugeschrieben werden.«
    »Unmöglich«, stimmte ich zu und versuchte nicht, meinen Unglauben zu verbergen. »Was hielt Olna von der Sache?«
    »Sie hielt es für einen Trick – für ein Taschenspielerkunststück.«
    »Sie trug Augengläser, und du hast die Karten in diesen gesehen. War es nicht so?«
    »Sie trägt bis heute keine Augengläser.«
    »Dann sahst du sie in ihren Augen.«
    »Sie saß etwa drei Meter entfernt von mir im Schatten. Um die Karten sehen zu können, mußte sie sie von mir weg und gegen die Tür zur Bibliothek halten. Nein, so etwas war es nicht. Außerdem hielt ich die ganze Zeit die Augen geschlossen. Oder fast die ganze Zeit. Ich sah die Karten einfach an dieser Stelle in meinem Geist. Ich brauchte nicht zu zögern oder zu raten. Ich wußte es jedesmal.«
    »Nun, das ist sehr interessant«, sagte ich und öffnete den Scientific Quarterly . »Du solltest vielleicht Dr. Rhine besuchen.«
    »Du kannst dir vorstellen, wie aufgeregt ich war«, sagte er und ignorierte meinen Versuch, das Gespräch zu beenden. »Dieser berühmte Doktor behauptete, daß es möglich war, und ich saß da und erbrachte den Beweis.«
    »Ja, du solltest vielleicht Dr. Rhine davon schreiben.«
    »Ich forderte Olna auf, zu mischen, um es nochmals zu versuchen. Sie war nicht sehr begeistert davon, aber sie tat es. Ich merkte, daß ihre Hände zitterten.«
    »Du hast das arme Kind mit deinen Tricks erschreckt!«
    Er seufzte und starrte über den Sund. Plötzlich fühlte ich Mitleid mit dem bedauernswerten kleinen Mann. Ich glaube, er war nie mehr als hundert Kilometer weit vom Dorf weggewesen. Er lebte in jenem alten Haus auf dem Hügel, spielte wöchentlich einmal Karten im Grange und besuchte gelegentlich den Lebensmittelladen, um einzukaufen. Ich glaube, daß sie nicht einmal einen Fernsehempfänger besaßen. Seine Schwester galt als richtig altmodisch auf diesem Gebiet.
    »Hast du wieder alle Karten richtig angesagt?« fragte ich und versuchte interessiert zu erscheinen.
    »Ohne einen einzigen Fehler. Da wußte ich genau, wo sich jene Stelle in meinem Geist befand. Ich fand sie jedesmal sofort.«
    »Und Olna wollte wissen, wie du es zuwege brachtest.«
    Er schluckte. »Nein. Ich glaube, sie fühlte, wie ich es tat. Wir waren das zweite Mal nicht mehr als fünfzehn Karten durchgegangen, als sie das Paket auf den Boden warf. Sie starrte zitternd auf mich. Plötzlich rief sie mir irgendein Wort zu – ich weiß bis heute nicht, was es bedeutet –, sprang auf und rannte aus dem Haus. Es geschah so rasch, daß sie bereits durch die Hintertür war, ehe ich noch aufstehen konnte. Ich lief ihr nach, aber sie war verschwunden. Wir haben später erfahren, daß sie mit dem Bäckerauto gefahren und geradewegs zurück nach Port Orchard gekehrt war. Sie kam nie wieder.«
    »Wie schade. Der einzige Mensch, dessen Gedanken du lesen kannst, ist dir davongelaufen.«
    »Sie kam nie wieder«, wiederholte er, und ich schwöre, es klangen Tränen in seiner Stimme. »Alle nahmen an ... du weißt ... ich hätte mich ihr irgendwie genähert. Meine Schwester war ziemlich wütend. Am nächsten Tag holte Olnas Bruder ihre Sachen. Er drohte, mich zu verprügeln, wenn ich jemals meinen Fuß auf ...«
    Cranston unterbrach sich und wandte sich um. Er blickte die Straße entlang, die von den Gehöften in den westlichen Hügeln ins Dorf führte. Eine große Frau in einem grünen Kleid war gerade um die Ecke bei dem abgebrannten Baum gekommen und näherte sich dem Postgebäude. Sie ging mit gesenktem Kopf, so daß man ihr gelbes Haar sah, das zu Zöpfen

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