Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
allomantische Paare waren Gegensätze: Stahl drückte gegen Metalle, Eisen zog an ihnen. Kupfer verbarg Allomanten, Bronze enthüllte sie. Zink entfachte Gefühle, Messing unterdrückte sie. Doch Zinn und Weißblech schienen keine Gegensätze zu sein. Das eine stärkte den Körper, das andere die Sinne.
Dennoch waren sie einander entgegengesetzt. Zinn machte den Tastsinn so scharf, dass jeder Schritt unangenehm war. Weißblech kräftigte den Körper, so dass er Schmerzen besser ertrug. Als Spuki nun durch die geschwärzte Ruine schritt, taten seine Füße nicht besonders weh. Wo das Licht ihn früher geblendet hatte, konnte er nun durch das Weißblech viel mehr ertragen, bevor er den Verband umlegen musste.
Die beiden waren Gegensätze und ergänzten sich doch – so wie die anderen allomantischen Metallpaare. Wie hatte er ohne Weißblech überleben können? Er war ein Mensch mit nur einer halben Fähigkeit gewesen. Nun war er vollständig.
Aber er fragte sich, wie es wohl wäre, wenn er auch die übrigen Kräfte besäße. Kelsier hatte ihm das Weißblech gegeben. Konnte er Spuki vielleicht auch mit Eisen und Stahl segnen?
Ein Mann dirigierte die Reihe der arbeitenden Gestalten. Sein Name lautete Fransohn; er war derjenige, der Spuki gebeten hatte, seine Schwester zu retten. Die Hinrichtung sollte am kommenden Tag stattfinden. Bald würde das Kind in ein anderes brennendes Gebäude geworfen werden, doch Spuki arbeitete
daran, dies zu verhindern. Im Augenblick konnte er jedoch nicht viel tun. Daher gruben Fransohn und seine Männer in der Zwischenzeit die Ruine um.
Schon seit einiger Zeit bespitzelte Spuki den Ersten Bürger und seine Ratgeber. Er hatte die gewonnenen Informationen mit Weher und Sazed geteilt, und sie schienen dankbar dafür zu sein. Doch angesichts der steigenden Sicherheitsvorkehrungen vor dem Haus des Ersten Bürgers waren sie zu dem Ergebnis gekommen, es sei dumm, weiter dort zu spionieren, bis sie ihre Pläne für die Stadt ausgearbeitet hatten. Spuki hatte ihren Rat angenommen, auch wenn er immer unruhiger wurde. Beldre fehlte ihm – das stille Mädchen mit den einsamen Augen.
Er kannte sie nicht. Er konnte sich nicht vormachen, dass er es doch tat. Aber als sie sich einmal begegnet waren und ein paar Worte miteinander gewechselt hatten, hatte sie weder um Hilfe gerufen noch ihn verraten. Sie schien von ihm gefesselt zu sein. Das war doch ein gutes Zeichen, oder?
Narr, dachte er. Sie ist die Schwester des Ersten Bürgers! Das Gespräch mit ihr hätte dich umbringen können. Konzentriere dich auf die Sache, die vor dir liegt.
Spuki sah den Arbeiten eine Weile zu. Schließlich näherte sich ihm der verdreckte und erschöpfte Fransohn im Sternenlicht. »Herr«, sagte er, »wir haben diesen Teil jetzt schon viermal abgesucht. Die Männer in der Kellergrube haben allen Schutz und alle Asche beiseitegeschafft und alles zweimal durchgekämmt. Wenn es hier etwas zu finden gäbe, hätten wir es gefunden.«
Spuki nickte. Vermutlich hatte Fransohn Recht. Spuki nahm eine kleine Börse von seinem Gürtel und übergab sie Fransohn. Es klimperte darin, und der große Skaa hob eine Braue.
»Die Bezahlung für die anderen Männer«, erklärte Spuki. »Sie haben drei Nächte hier gearbeitet.«
»Es sind Freunde, Herr«, sagte Fransohn. »Sie wollen dafür sorgen, dass meine Schwester gerettet wird.«
»Bezahl sie trotzdem«, meinte Spuki. »Und sag ihnen, sie sollen das Geld so schnell wie möglich für Nahrung und andere Vorräte benutzen, bevor Quellion den Zahlungsverkehr in der Stadt verbietet.«
»Ja, Herr«, sagte Fransohn. Dann warf er einen Blick zur Seite, wo ein halbverbranntes Treppengeländer stand. Dort hatten die Arbeiter alle Gegenstände abgelegt, die sie unter dem Schutt gefunden hatten: neun menschliche Schädel. Sie warfen unheimliche Schatten im Sternenschein. Verbrannt und geschwärzt schienen sie die Lebenden zu verhöhnen.
»Herr, darf ich fragen, was das alles soll?«, wollte Fransohn wissen.
»Ich habe zugesehen, wie dieses Gebäude verbrannt ist«, sagte Spuki. »Ich war dabei, als diese armen Leute in das Haus getrieben und darin eingesperrt wurden. Und ich konnte es nicht verhindern.«
»Das … das tut mir leid, Herr«, sagte Fransohn.
Spuki schüttelte den Kopf. »Das ist vorbei. Aber ihr Tod kann uns etwas lehren.«
»Herr?«
Spuki betrachtete die Schädel. An dem Tag, an dem Spuki dieses Haus brennen gesehen hatte – es war das erste Mal gewesen, dass er einer
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