Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
Gefühl, an einem Ball in einem Ministeriumsgebäude teilzunehmen. Vin war an Bleiverglasung und Verzierungen gewöhnt, aber die Amtsgebäude waren für gewöhnlich schmucklos – und dieses hier bildete keine Ausnahme. Es war nur einstöckig und hatte dicke, glatte Mauern mit sehr kleinen Fenstern darin. Keine Kalklichter erhellten das Äußere, und abgesehen von den wenigen Bannern, die gegen die Mauern flatterten, bestand der einzige Hinweis darauf, dass diese Nacht etwas Besonderes war, in der großen Zahl von Adelskutschen im Hof. Die Soldaten auf dem Gelände hatten Vin und Elant bemerkt, aber sie unternahmen nichts, um sie abzuwehren oder auch nur anzuhalten.
Diejenigen, die Vin und Elant beobachteten – sowohl Adlige als auch Soldaten –, wirkten zwar interessiert, aber kaum überrascht, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Also wurden Vin und Elant wohl erwartet. Vins Vermutung wurde bestätigt, als sie die Treppe hochschritten und niemand sie daran hinderte. Die Wächter neben der Tür beobachteten die beiden misstrauisch, aber sie ließen Vin und Elant passieren.
Drinnen fanden sie eine langgezogene Halle vor, die von Laternen erhellt wurde. Die Menschenmenge bog nach links ab, also folgten Vin und Elant ihr. Sie begaben sich durch einige labyrinthische Korridore, bis sie sich endlich einem größeren Saal näherten.
»Nicht gerade ein beeindruckender Ort für einen Ball, was?«, meinte Elant, als sie darauf warteten, angekündigt zu werden.
Vin nickte. In den meisten Adelsfestungen waren die Ballsäle unmittelbar von außen zugänglich. Der Raum vor ihnen jedoch war – nach dem zu urteilen, was sie sehen konnten – nichts anderes als ein üblicher Versammlungsraum des Ministeriums. Nieten zeigten im Boden an, wo früher die Bänke gestanden
hatten, und auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes gab es ein Podium, von dem aus vermutlich die Obligatoren ihren Untergebenen Befehle erteilt hatten. Dort war nun Yomens Tisch aufgebaut.
Der Raum war zu klein für einen Ballsaal. Die Leute traten sich zwar nicht gerade auf die Zehen, aber sie hatten auch nicht den Platz, den der Adel schätzte, um kleine Gruppen bilden und miteinander schwatzen zu können.
»Anscheinend gibt es noch weitere Festsäle«, sagte Elant und deutete mit dem Kopf in Richtung einiger Korridore, die aus dem Hauptraum wegführten. In ihnen herrschte ein ständiges Kommen und Gehen.
»Dorthin kann man sich wohl zurückziehen, wenn es einem hier zu eng wird«, sagte Vin. »Es wird schwer sein, von hier zu entkommen, Elant. Lass dich bloß nicht in die Ecke drängen. Das da drüben links sieht wie ein Ausgang aus.«
Elant folgte ihrem Blick, während sie den Hauptsaal betraten. Flackernder Fackelschein und Nebelschwaden deuteten einen Innenhof oder ein Atrium an. »Ich bleibe in seiner Nähe«, versprach er. »Und ich werde nicht in einen der kleineren Nebenräume gehen.«
»Gut«, sagte Vin. Sie hatte noch etwas anderes bemerkt. Zweimal hatte sie auf dem Weg durch die Korridore Treppen nach unten gesehen. Das deutete auf einen recht großen Keller hin, was in Luthadel ungewöhnlich gewesen war. Das Amtshaus dehnt sich eher nach unten als nach oben aus, entschied sie. Das ergab einen Sinn – vorausgesetzt, dort unten existierte wirklich eine Vorratshöhle.
Der Türherold kündigte sie an, ohne ihre Karte zu benötigen, und sie betraten den Raum. Dieses Fest war keineswegs so prunkvoll wie das in der Festung Orielle. Es wurden kleine Happen, aber kein vollständiges Mahl gereicht — vermutlich weil der Platz nicht für Esstische ausreichte. Es gab Musik und
Tanz, doch der Raum war nicht ausgeschmückt. Yomen hatte beschlossen, die einfachen, kahlen Ministeriumswände nicht zu bedecken.
»Ich frage mich, warum er sich überhaupt die Mühe macht, Bälle zu geben«, flüsterte Vin.
»Vermutlich hat er selbst damit angefangen«, meinte Elant. »Damit der Adel nachzieht. Und jetzt ist er wieder an der Reihe. Das ist klug von ihm. Es verschafft einem eine gewisse Macht, wenn man in der Lage ist, den Adel in sein Haus einzuladen.«
Vin nickte und betrachtete die Tanzfläche. »Ein Tanz, bevor wir uns aufteilen?«
Elant war unschlüssig. »Um ehrlich zu sein, bin ich ein wenig zu nervös dafür.«
Vin lächelte, gab ihm einen sanften Kuss und brach damit das höfische Protokoll vollends. »Gib mir etwa eine Stunde, bevor du mit deinem Ablenkungsmanöver beginnst. Ich möchte ein Gefühl für das Fest bekommen, bevor ich mich
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