Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
Gefühlen auf eine Schlacht zu vergessen, Yomen. Es geht nicht bloß um Nahrung, Schuhe und sauberes Wasser, so wichtig das alles auch sein mag. Es geht um Hoffnung, Mut und Überlebenswillen. Die Soldaten müssen wissen, dass ihr Anführer mitkämpft. Falls er keine Feinde tötet, dann muss er die Truppen zumindest hinter den Linien persönlich führen. Er darf keine abstrakte Kraft irgendwo auf einem Turm sein, der aus einem Fenster schaut und über die Tiefe des Universums nachdenkt.«
Yomen schwieg, während sie weiter durch die Straßen gingen, die zwar von Asche gesäubert waren, aber trotzdem verlassen und aufgegeben wirkten. Die meisten Einwohner hatten sich in die hinteren Stadtviertel zurückgezogen, wohin die Kolosse erst spät gelangen würden, falls sie durchbrechen sollten. Die Menschen lagerten draußen, denn die Häuser waren aufgrund der Erdstöße unsicher geworden.
»Ihr seid ein … bemerkenswerter Mann, Elant Wager«, sagte Yomen schließlich.
»Ich bin ein Bastard«, meinte Elant.
Yomen hob eine Braue.
»Nicht wegen meiner Geburt oder meines Temperaments, sondern von meiner Veranlagung her«, erklärte Elant mit einem Lächeln. »Ich bin eine Mischung aus alldem, was ich bisher sein musste. Teils Gelehrter, teils Rebell, teils Adliger, teils Nebelgeborener und teils Soldat. Manchmal weiß ich selbst nicht mehr, wer ich gerade bin. Es war verdammt schwierig, all diese Bruchstücke zusammenzufügen. Und immer wenn ich glaube, dass ich es allmählich geschafft habe, macht mir die Welt einen Strich durch die Rechnung. Ah, hier sind wir.«
Yomens Krankenhaus befand sich in einem umgewandelten Ministeriumsgebäude – was nach Elants Meinung andeutete, dass Yomen bereit zur Anpassung war. Seine religiösen Häuser waren ihm nicht so heilig, dass er sich weigerte, in ihnen die Kranken und Verwundeten unterzubringen, denn für eine solche Nutzung besaßen sie die besten Räumlichkeiten. Hier kümmerten sich Ärzte um all jene, welche den ersten Kampf mit den Kolossen überlebt hatten. Yomen machte sich auf den Weg zu den Leitern des Krankenhauses, denn er schien sich Sorgen um die Zahl der Infektionen zu machen, an denen die Männer litten. Elant ging hinüber zu dem Bereich, in dem die schwersten Fälle lagen, und versuchte sie zu ermutigen.
Es war hart, die Soldaten anzusehen, die wegen seiner Dummheit leiden mussten. Wie hatte er übersehen können, dass Ruin in der Lage war, die Kolosse zurückzuholen? Nur so ergab alles einen Sinn. Doch Ruin hatte sein Blatt gut ausgespielt. Er hatte Elant in die Irre geführt und ihn glauben lassen, dass die Inquisitoren die Kolosse beherrschten. So hatte er den Eindruck gewonnen, dass er sich auf die Kolosse verlassen konnte.
Was wäre wohl passiert, dachte er, wenn ich die Stadt mit ihrer
Hilfe angegriffen hätte, wie ich es ursprünglich geplant hatte? Ruin hätte die Stadt geplündert, jeden in ihr abgeschlachtet und dann die Kolosse gegen Elants Soldaten gerichtet. Nun hatten die Verteidigungsanlagen, die von Elants und Yomens Männern gemeinsam gehalten wurden, Ruin genügend Zeit verschafft, seine Streitmacht beträchtlich zu vergrößern, bevor er angriff.
Ich habe diese Stadt dem Untergang geweiht, dachte Elant, als er neben dem Bett eines Mannes saß, der seinen Arm durch ein Kolossschwert verloren hatte.
Es verbitterte ihn. Er wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Und in Wahrheit war er lieber in der Stadt – auch wenn ihr Schicksal besiegelt war –, als sie von draußen zu belagern und zu erobern. Denn er wusste, dass die Gewinnerseite nicht immer die richtige Seite war.
Aber er war noch immer verbittert darüber, dass es ihm nicht gelang, sein Volk zu schützen. Obwohl Yomen in Fadrex regierte, sah Elant die Einwohner als seine Untertanen an. Er saß auf dem Thron des Obersten Herrschers und führte selbst den Titel eines Herrschers. Er musste sich um das gesamte Letzte Reich kümmern. Doch wozu war ein solcher Herrscher gut, wenn er nicht einmal eine einzige Stadt beschützen konnte – um von einem ganzen Reich voller solcher Städte erst gar nicht zu reden?
Ein kleiner Aufruhr im vorderen Teil des Krankensaales erregte seine Aufmerksamkeit. Er schob seine dunklen Gedanken beiseite und wünschte dem Soldaten alles Gute. Dann eilte er in den Eingangsbereich, in dem auch Yomen bereits erschienen war, weil er sehen wollte, was hier los war. Dort stand eine Frau. Sie hielt einen kleinen Jungen an der Hand, der
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