Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
an. Die Höhle wurde nur von einem Glühstein erhellt, einem großen, porösen Stein, der auf einem langen Säulenschaft saß. Der bläuliche Pilz, der auf dem Stein wuchs, leuchtete gerade genug, um in seinem Schein etwas sehen zu können – vor allem wenn man besondere Augen hatte, die gut an dieses schwachblaue Licht angepasst waren.
TenSoon kannte seinen Wächter. Er kannte die meisten Kandras, wenigstens bis zur sechsten oder siebten Generation. Der Name dieses Kandras lautete VarSell. In seiner Heimat trug VarSell weder die Knochen eines Tieres noch eines Menschen, sondern benutzte stattdessen einen Wahren Körper – einen Satz falscher, von einem Kandra-Kunsthandwerker hergestellter menschenähnlicher Knochen. VarSells Wahrer Körper bestand aus Quarz, und seine Haut war durchscheinend und erlaubte es dem Stein, in dem Pilzlicht schwach zu funkeln, während er TenSoon betrachtete.
Ich habe meinen Körper undurchsichtig gemacht, erkannte TenSoon. Wie den eines Menschen mit gebräunter Haut, welche die Muskeln darunter verdeckt. Warum war ihm das so natürlich erschienen? Früher hatte er die Jahre verflucht, die er unter den Menschen zugebracht hatte, während er statt eines Wahren Körpers einen menschlichen hatte benutzen müssen. Vielleicht war
er in denselben alten Fehler verfallen, weil seine Gegner ihm keinen Wahren Körper geschenkt hatten. Nur menschliche Knochen. Das war so etwas wie eine Beleidigung.
TenSoon erhob sich. »Was ist?«, fragte er, als er VarSells Blick bemerkte.
»Ich habe wahllos einige Knochen aus dem Lagerraum geholt«, sagte VarSell. »Es ist eine Ironie des Schicksals, dass ich dir offenbar welche gegeben habe, die ursprünglich von dir stammen.«
TenSoon runzelte die Stirn. Wie bitte?
Doch dann begriff er. Der Körper, den TenSoon um die Knochen herum geschaffen hatte, musste sehr überzeugend wirken – als ob es der originale wäre, zu dem diese Knochen einmal gehört hatten. VarSell war wohl der Meinung, TenSoon habe ein so realistisches Abbild nur erschaffen können, weil er irgendwann den Leichnam des Menschen aufgenommen hatte und daher wusste, wie er den richtigen Körper um diese Knochen herum bilden musste.
TenSoon lächelte. »Ich habe diese Knochen nie zuvor getragen. «
VarSell betrachtete ihn. Er entstammte der Fünften Generation und war somit etwa zwei Jahrhunderte jünger als TenSoon. Doch auch in der Dritten Generation hatten nur wenige Kandras so viel Erfahrung mit der Außenwelt wie TenSoon.
»Ich verstehe«, sagte VarSell schließlich.
TenSoon drehte sich um und warf einen Blick durch die kleine Kammer. Drei weitere Kandras aus der Fünften Generation standen in der Nähe der Tür und beobachteten ihn. Wie VarSell, so steckten nur wenige von ihnen in Kleidung, und diejenigen, die sie trugen, warfen sich für gewöhnlich nur vor der Brust offene Roben über. In ihrer Heimat trugen die Kandras für gewöhnlich wenig, damit sie ihre Wahren Körper besser zur Schau stellen konnten.
TenSoon sah je zwei glitzernde Metallstäbe in den Muskeln
der Fünfer. Alle drei besaßen die Segnung der Kraft. Die Zweite Generation wollte nicht das Risiko eingehen, dass er einen Fluchtversuch unternahm. Das war natürlich eine weitere Beleidigung, denn TenSoon hatte sich schließlich freiwillig in sein Schicksal ergeben.
»Also?«, fragte TenSoon und wandte sich wieder an VarSell. »Gehen wir jetzt?«
VarSell warf einem seiner Gefährten einen raschen Blick zu. »Es war erwartet worden, dass die Schaffung deines Körpers länger dauert.«
TenSoon schnaubte »Die aus der Zweiten Generation sind ungeübt. Weil sie immer noch viele Stunden benötigen, um einen Körper zu bilden, glauben sie, der Rest von uns braucht genauso lange.«
»Sie sind deine Vorgängergeneration«, sagte VarSell. »Du solltest ihnen Respekt erweisen.«
»Die Zweite Generation lebt schon seit Jahrhunderten abgeschieden in diesen Höhlen«, erwiderte TenSoon. »Sie schicken uns anderen hinaus, damit wir den Vertrag erfüllen, während sie untätig bleiben. Ich übertreffe sie schon seit langem an Kunstfertigkeit. «
VarSell zischte, und einen Augenblick lang glaubte TenSoon, der junge Kandra würde ihn schlagen. Aber VarSell hielt sich mit Mühen zurück – zu TenSoons großer Belustigung. Als Mitglied der Dritten Generation war er ranghöher als VarSell, so wie die Zweite Generation angeblich ranghöher als er selbst war.
Doch die Dritte war ein Sonderfall. Sie war es schon immer gewesen.
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