Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
her zu sein. Er erschien im Nebel, gekleidet in seine zweite weiße Uniform – diejenige, die
noch sauber war –, und seine Miene war verhärtet angesichts der Todesfälle. Sie spürte seine Gefühlsallomantie überall um sich herum, während er näher kam. Sein Besänftigen nahm den Menschen ein wenig den Schmerz, aber er drückte nicht so stark gegen ihre Gefühle, wie er es hätte tun können. Sie wusste aus Gesprächen mit ihm, dass er sich nicht berechtigt fühlte, die Trauer über den Tod eines geliebten Menschen vollständig zu entfernen.
»Herr!«, hörte sie Fatren antworten, und sie sah, wie er sich ebenfalls näherte. »Das ist eine Katastrophe!«
»Es sieht schlimmer aus, als es ist, Graf Fatren«, erwiderte Elant. »Wie ich schon erklärt habe, werden sich die meisten, die zu Boden gestürzt sind, wieder erholen.«
Fatren blieb neben Vins Baumstumpf stehen. Dann drehte er sich um, schaute in den Nebel und horchte auf das Weinen und die Schmerzenslaute seiner Untertanen. »Ich kann nicht glauben, dass wir das wirklich getan haben. Ich kann nicht … ich kann nicht glauben, dass Ihr mich überredet habt, sie im Nebel stehen zu lassen.«
»Deine Untertanen müssen immun gemacht werden, Fatren«, erklärte Elant.
Das entsprach der Wahrheit. Sie besaßen nicht genug Zelte für alle Einwohner, und deshalb gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie ließen die Leute in ihrer sterbenden Stadt zurück, oder sie zwangen sie nordwärts. Das bedeutete, dass sie in den Nebel hineingehen mussten, in dem einige von ihnen sterben würden. Es war schrecklich und grausam, aber es wäre sowieso irgendwann passiert. Obwohl Vin die Notwendigkeit dessen, was sie getan hatten, einsah, fühlte sie sich doch schuldig, weil sie für die Ereignisse mitverantwortlich war.
»Was sind wir nur für Ungeheuer?«, fragte Fatren mit gedämpfter Stimme.
»Die, die wir sein müssen«, antwortete Elant. »Geh und zähle
deine Leute durch. Finde heraus, wie viele gestorben sind. Beruhige die Überlebenden und versprich ihnen, dass der Nebel ihnen nichts mehr anhaben kann.«
»Ja, Herr«, sagte Fatren und ging fort.
Vin sah ihm nach. »Wir haben sie umgebracht, Elant«, flüsterte sie. »Wir haben ihnen gesagt, es wäre alles in Ordnung. Wir haben sie gezwungen, ihre kleine Stadt zu verlassen und zum Sterben hierherzukommen.«
»Es ist alles gut«, sagte Elant und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es ist besser als ein langsamer Tod in dieser Stadt.«
»Wir hätten ihnen die Wahl lassen sollen.«
Elant schüttelte den Kopf. »Es gab keine Wahl. Schon in wenigen Monaten wird ihre Stadt andauernd im Nebel liegen. Dann hätten sie entweder für immer in ihren Häusern bleiben und verhungern oder in den Nebel hinausgehen müssen. Es ist besser, wenn wir sie ins Zentrale Dominium bringen, wo es noch genug Tageslicht für den Ackerbau gibt.«
»Die Wahrheit macht es nicht einfacher.«
Elant stand im Nebel, und die Asche fiel um ihn herum. »Nein«, gestand er ein. »Das ist richtig. Ich werde die Kolosse holen, damit sie die Toten beerdigen.«
»Und die Verletzten?« Diejenigen, die vom Nebel angegriffen, aber nicht umgebracht worden waren, würden noch einige Tage lang Krämpfe haben und krank sein, vielleicht sogar länger. Wenn es der übliche Prozentsatz war, dann betraf das beinahe tausend Einwohner.
»Wenn wir morgen aufbrechen, werden die Kolosse sie tragen. Falls es uns gelingt, bis zum Kanal zu kommen, werden wir sie in die Boote legen.«
Vin gefiel es nicht, deutlich sichtbar zu sein. Sie hatte sich während ihrer ganzen Kindheit in Ecken versteckt und in ihrer
Jugend die stille nächtliche Attentäterin gespielt. Daher war es ungeheuer schwierig für sie, sich nicht schutzlos zu fühlen, als sie zusammen mit fünftausend müden Menschen eine der bekanntesten Straßen des Südlichen Dominiums entlangreiste.
Sie ging in einiger Entfernung von den Kleinstädtern – sie ritt niemals – und versuchte etwas zu finden, womit sie sich von den Gedanken an die Todesfälle des vergangenen Abends ablenken konnte. Leider ritt Elant bei Fatren und den anderen Anführern der Stadt und versuchte die Beziehungen zu ihnen zu verbessern. Also war sie allein.
Mit Ausnahme eines einzelnen Kolosses.
Das massige Ungetüm trampelte neben ihr her. Zum Teil hielt sie es in ihrer Nähe, weil es praktisch war; sie wusste, dass wegen ihm die Leute aus der Stadt Abstand zu ihr hielten. Zwar sehnte sie sich nach Ablenkung, aber sie
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