Herrscher des Lichts - Sanderson, B: Herrscher des Lichts - The Hero of Ages, Mistborn 3
zur Zehnten gehörten über hundert Individuen. Die Bänke des Pfandstandes waren so gestaltet, dass sie die gesamte Kandra-Population aufnehmen konnten, aber jetzt waren sie nur von denjenigen besetzt, die im Augenblick frei von Pflichten und Verträgen waren.
Er hatte gehofft, MeLaan würde sich nicht in der Gruppe befinden. Aber sie war unter den ersten Eintretenden. Einen Moment lang befürchtete er, sie würde quer durch den Raum eilen und auf das Podest steigen, wo nur die Gesegneten und die Verfluchten stehen durften. Doch stattdessen erstarrte sie in der Tür und zwang die Übrigen, sich verärgert an ihr vorbeizudrängen.
Eigentlich hätte er sie nicht erkennen dürfen. Sie hatte einen neuen Wahren Körper – einen außergewöhnlichen, dessen Knochen
aus Holz bestanden. Sie waren auf unnatürliche, übertriebene Weise dünn und biegsam. Der hölzerne Schädel war lang und hatte ein spitz zulaufendes, dreieckiges Kinn, die Augen waren zu groß, und umeinander geschlungene Stofffetzen stachen wie Haare aus ihrem Kopf hervor. Die jüngeren Generationen verletzten oft die Grenzen des Anstands und verärgerten damit die Zweiten. Früher hätte TenSoon ihnen vermutlich zugestimmt, und selbst jetzt noch war er so etwas wie ein Traditionalist. Doch heute musste er beim Anblick ihres rebellischen Körpers einfach nur lächeln.
Das schien ihr Trost zu spenden, und sie suchte sich einen Platz ganz vorn bei einer Gruppe anderer Siebter. Sie hatten unförmige Wahre Körper – einer ähnelte allzu sehr einem Klotz, und aus einem anderen stachen tatsächlich vier Arme hervor.
»TenSoon aus der Dritten Generation«, sagte KanPaar förmlich und brachte damit die Menge der Kandras zum Schweigen. »Du hast hartnäckig um ein Verfahren vor der Ersten Generation gebeten. Aufgrund des Ersten Vertrages dürfen wir dich nicht verurteilen, ohne dir vorher die Möglichkeit eingeräumt zu haben, deinen Fall vor den Ersten darzulegen. Wenn sie es für angemessen ansehen, deine Bestrafung aufzuheben, dann wirst du frei sein. Im anderen Fall musst du den Richterspruch anerkennen, den der Rat der Zweiten dir auferlegen wird.«
»Ich weiß«, sagte TenSoon.
»Dann«, sagte KanPaar und beugte sich über sein Lesepult, »sollten wir beginnen.«
Er macht sich überhaupt keine Sorgen, erkannte TenSoon. Er klingt tatsächlich so, als würde er das hier genießen.
Warum auch nicht, nach all den Jahrhunderten, in denen er gepredigt hat, die Dritte Generation stecke voller Bösewichter? Die Zweiten haben die ganze Zeit versucht, die Fehler zu beheben, die sie bei uns gemacht haben – Fehler wie die Gewährung von zu viel Freiheit und die Zulassung der Ansicht, wir seien genauso gut wie sie selbst.
Indem KanPaar beweist, dass ich – der »Maßvollste« der Dritten – eine Gefahr darstelle, wird er endlich den Kampf gewinnen, den er während fast seines ganzen Lebens geführt hat.
TenSoon hatte es immer als seltsam empfunden, wie bedroht sich die Zweiten von den Dritten fühlten. Sie hatten nur eine Generation gebraucht, um ihre Fehler zu erkennen. Die Vierten waren ihnen fast genauso treu ergeben wie die Fünften; es gab unter ihnen nur sehr wenige Abweichler.
Dennoch, angesichts des Verhaltens einiger Mitglieder aus den jüngeren Generationen – MeLaan und ihre Freunde boten ein gutes Beispiel – hatten die Zweiten vielleicht doch Recht, wenn sie sich bedroht fühlten. Und TenSoon würde ihr Opfer sein. Er würde ihnen dabei helfen, Ordnung und Rechtgläubigkeit wiederherzustellen.
Sie würden noch ihre Überraschung erleben.
Klümpchen aus reiner Allomantie, die Macht der Bewahrung. Warum Raschek eines dieser Klümpchen bei der Quelle der Erhebung zurückließ, weiß ich nicht. Vielleicht hat er es übersehen, oder er hatte vor, es einem glücklichen Diener zu verabreichen.
Oder er hat befürchtet, er könnte eines Tages seine Kräfte verlieren und würde dieses Klümpchen benötigen, das ihm die Allomantie zurückbringt. Wie dem auch sei, ich segne Raschek für seine Vorausschau, denn ohne dieses Klümpchen wäre Elant an jenem Tag bei der Quelle gestorben.
Kapitel 10
D er Larstaismus war für Sazed schwierig einzuschätzen. Diese Religion schien ihm reichlich unschuldig zu sein. Man wusste viel über sie; einem Bewahrer aus dem vierten Jahrhundert war es gelungen, einen wahren Schatz an Gebetsmaterialien, Schriften, Noten und Anmerkungen zu finden, die einmal einem hochgestellten Mitglied dieser Religion gehört
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