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Herrscher über den Abgrund

Herrscher über den Abgrund

Titel: Herrscher über den Abgrund
Autoren: Andre Norton
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dicke Schicht verrotteter Blätter, die einen weichen Teppich bildeten, so daß das Geräusch ihrer Schritte vollständig verschluckt wurde.
    Zum erstenmal wurde sich Sander bewußt, daß er etwas übersehen hatte: Im offenen Land konnte man sich an einem festen Punkt orientieren, um die Richtung einzuhalten – doch hier zwischen den Bäumen, die sich völlig glichen, hatte man keine Kontrolle, ob man nicht im Kreis lief. Er blieb stehen. Vielleicht hätten sie besser an der Küste bleiben sollen.
    Auch Fanyi blieb stehen und sah zurück. „Was ist los?“
    Er schämte sich seiner Dummheit, doch mußte er sie jetzt eingestehen.
    „Wir haben keinen Anhalt, dem wir folgen könnten – alles sieht gleich aus.“
    „Doch, es gibt etwas. Ich war schon früher hier: es gibt eine Straße – eine Straße nach Norden.“
    Eine Straße? Sie war so sicher, daß er ihr glaubte.
    Fanyi machte ihm ein Zeichen, und er folgte ihr zögernd. Bereits jetzt konnte er beim Zurücksehen nicht mehr erkennen, wo sie den Wald betreten hatten. Sie aber zeigte keinerlei Bestürzung.
    Es dauerte nicht lange, da erreichten sie eine Stelle, die weniger bewachsen war. Blätter und Erdreich bedeckten nur unzureichend eine löchrige, von dicken Wurzeln teilweise gesprengte Oberfläche, die zweifellos künstlich hergestellt worden war. Sie verlief kerzengerade, und die Bäume, die zu beiden Seiten wuchsen und sie mit ihren Wurzeln angriffen, waren noch jung, so daß sie ausreichend hell war, um eine Strecke Wegs vorauszusehen. Fanyi bedeutete ihm, näher zu kommen.
    „Siehst du? Genau, wie ich dir gesagt habe. Das war eine Frühere Straße. Viel ist seitdem zerstört worden, doch es ist genug geblieben, um sie zu erkennen. Hier macht sie eine Biegung“ – sie zeigte nach links in Richtung Westen –, „von dorther kommt sie, aber von hier aus führt sie nach Norden – jedenfalls das Stück, das ich kenne, führt nach Norden.“
    Sander konnte die Kurve erkennen. Die Straße mußte auch früher nie durch offenes Gelände geführt haben. Er fragte sich, warum. Ihm schien es viel einfacher, eine derartige Straße durch offenes Land zu bauen. Auch war sie schmaler als die beiden Straßen, die die Horde in ihrem Gebiet entdeckt hatte (Mattly hatte einmal eine davon abgeschritten, um ihre Breite zu kennen). Sie waren so breit gewesen, daß nicht einmal die Weisen sagen konnten, wie groß die Heere der Leute gewesen sein mochten, die derartige Straßen benutzten.
    Die Oberfläche war so uneben, daß sie langsam und vorsichtig laufen mußten, um nicht unversehens in einem Loch hängen zu bleiben. Doch die Straße führte sie zum Wasser.
    Sander hatte das Geräusch des Flusses bereits wahrgenommen, bevor sie die Reste eines Brückenbogens erreichten. Winzige Mücken tanzten über die sonnengleißende Oberfläche. Die Strömung war beachtlich, doch das Wasser floß klar, so daß Sander die braunen Steinbrocken erkennen konnte, die das Bett bildeten. Er nahm den Wasserbehälter, ließ sein Gepäck bei Fanyi zurück und rutschte zum Wasser, wo er das Gefäß bis zum Rand füllte.
    Da die Brücke zerstört war, überquerten sie den Flußlauf, indem sie von Stein zu Stein sprangen. Sander, den die Entdeckung des Wassers munter gemacht hatte, begann sich jetzt umzusehen, ob er nicht irgendwo Wild finden konnte.
    Vögel gab es genug, nur waren sie zu klein und bewegten sich zu flink. Andere Tiere hatte er bisher keine gesehen. Und auch im Wasser schien sich nichts zu bewegen.
    Fanyi packte ihn plötzlich beim Arm. Ungeduldig drehte er sich um, doch sagte er nichts, als er ihren Gesichtsausdruck sah.
    Rhin! Eine Last fiel von ihm, und schon formte er die Lippen, um einen Pfiff auszustoßen. Doch Fanyi legte ihm heftig die Hand über den Mund.
    Auch er lauschte nun, um das Geräusch zu hören, das Fanyi so erschreckt hatte. Aus ihrer Haltung merkte er, daß sie Gefahr fürchtete.
    Es war eigentlich kein Geräusch – eher eine Bewegung der Luft, so als ob ein entferntes Dröhnen sie ausgelöst hätte. Er schob ihre Finger zur Seite und fragte flüsternd: „Was ist das?“
    Sie runzelte die Stirn, wie sie es am Abend vorher getan hatte, als sie die Würfel geworfen hatte.
    „Ich weiß es nicht“, antwortete sie noch leiser. „Aber es kommt von irgendeiner Macht her. Da täusche ich mich nicht.“
    „Was für eine Macht?“ flüsterte er nochmals.
    Sie hatte ihren Anhänger ergriffen und starrte ihn nun unverwandt an, als könnte sie aus den glitzernden
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