Herrscher über den Abgrund
Jetzt entsann er sich schamerfüllt, wie er in Padford noch geglaubt hatte, im Wald Schutz zu finden. Vorsichtig geworden, behielt er nun den Pfeilwerfer schußbereit in der Hand und lauschte aufmerksam auf jedes verdächtige Geräusch. Ein sanfter Wind bewegte die Blätter, und ein-, zweimal vernahm er den Ruf eines Vogels. Er hätte der einzige Mensch sein können, der ein ödes Land durchzog, – bis er auf einem weichen Lehmflecken etwas entdeckte. Hier war der Abdruck einer Hand, einer kleinen Hand. Und dann entdeckte er andere Anzeichen, die ihm sagten, daß Fanyi hier aus dem Wasser gestiegen sein mußte, auf dem Lehm ausgerutscht war und sich mit einer Hand abgestützt hatte. Da sie keine Anstrengung unternommen hatte, ihre Spuren zu verwischen, vermutete Sander, daß sie aus irgendwelchen Gründen überzeugt gewesen war, so weit vom Dorf entfernt zu sein, daß jede Verfolgung unwahrscheinlich wäre. Oder sie hatte es 50 eilig, daß sie sich nicht unnötig aufhalten wollte.
Jetzt, da er wußte, daß sie ihm nicht viel voraus sein konnte, suchte er nach anderen Zeichen, und er fand sie: einen abgebrochenen Zweig, eine Fußspur auf den Blättern, die noch vom vergangenen Jahr den Boden bedeckten. Die Spuren führten weg vom Fluß, nach Süden und direkt auf einen Wald zu, der den Hang eines Hügels bedeckte.
Sander durchquerte das Gehölz auf den Überresten einer alten Straße. Hier gab es keine Anzeichen von den schrecklichen Vernichtungen, die sie erst vor kurzem gesehen hatten. Vielleicht hatten hier die Naturkräfte nicht so wütend gehaust. Die Straße freilich war teilweise zerstört und von angewehten Blättern und Erde bedeckt, in der bereits Gras und Büsche wuchsen, aber der Weg war nicht beschwerlich. Von dem Boden las Sander ab, daß hier nicht nur Fanyi und die Fischer entlanggekommen waren, sondern auch, daß ihre Spuren von deutlichen Pfotenabdrücken überlagert waren, die nur Rhin gehören konnten. Daß der Kojote ihn verlassen hatte, um den anderen zu folgen, traf Sander schmerzlich.
Die Entdeckung, daß man ihm Rhin fortgelockt hatte, verstärkte seinen Entschluß, Fanyi einzuholen. Wütend stapfte er weiter, entschlossen, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen.
Sander hatte Hunger, doch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Aber als er an einem Baum vorbeikam, auf dem die Eichhörnchen gerade eine reichliche Nußernte hielten, sammelte er doch eine Mütze voll und hielt sich sogar auf, um einige der harten Schalen zu knacken, damit er auf dem weiteren Weg wenigstens etwas zu essen hatte. Sie schmeckten gut – aber natürlich hielten sie keinen Vergleich mit dem Eintopf aus, den er bei Kaboss bekommen hatte – doch das erschien ihm im Moment unwirklich, als hätte er es nur geträumt.
Der Schmied erreichte den höchsten Punkt und konnte jetzt hinab auf das Land sehen, das vor ihm lag. Die Luft war leicht dunstig, doch roch er keinen Rauch. Aber es gab keinen Zweifel daran, wohin die Straße führte. Vor ihm erhoben sich Ruinen, doch waren sie nicht zu Erd- und Trümmerhügeln zusammengefallen, auch waren sie nicht durch Stürme zerstört, wie er es gestern noch gesehen hatte. Nein, bei diesen Ruinen war so viel erhalten, daß man deutlich ihre Bauweise erkennen konnte. Während Sander genauer hinsah, hatte er plötzlich den Eindruck, daß sich ein sonderbarer Nebel langsam auf eine halb eingebrochene Mauer senkte, auf eine zerstörte Außenmauer, und zusehends dichter und dichter wurde.
Daß dies der Ort war, den Fanyi gesucht hatte, daran zweifelte er nicht einen Augenblick. Er eilte die alte Straße hinunter, um so bald wie möglich bei der Ruine zu sein. Seine müden Beine, sein leerer Magen und die tief im Westen stehende Sonne sagten ihm, daß der Abend rasch kommen würde.
Als er sich der Ruine näherte, stieß er auf herabgefallene Steine, die teilweise die Straße versperrten. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie zu entfernen. Außerdem entdeckte er einige große Stücke Metall, und er begann sich zu wundern. Dieser Ort lag doch nahe bei dem Händlerdorf. Warum war niemand hierhergekommen, um Metall zu sammeln?
Diese Entdeckung machte ihn vorsichtig. Er zögerte und suchte den Boden nach Spuren Fanyis und der Tiere ab, und als er nichts fand, ging er zurück, bis er den Pfotenabdruck eines Fischers – wahrscheinlich Kais – sah, der nach rechts wies. Dort traf er auf eine weitere Straße, schmäler als die erste, die nach Norden, also fort von den Ruinen,
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