Herrscher
Washavoki-Ohren? «
»Ich habe ihn noch«, erwiderte Garga-tok, »aber ich trage ihn nicht mehr. Zna-yat sagt, er macht den Washavoki Angst.«
Dar grinste. »Mein Bruder ist klug.«
Als sie Magtha-jan sah, sagte sie: »Muth-jan schickt dir liebe Grüße.« Dann zeigte sie ihm den goldenen Anhänger, der mit Muth-jans Hilfe entstanden war.
Als sie Kovok-mah sah, sagte sie: »Dich sehe ich hier zum ersten Mal.« Sie fragte ihn jedoch nicht, wo er gewesen war, denn sie vermutete, dass er ihr aus dem Weg ging und er nur die Wahrheit sagen konnte. »Nach dem Essen«, sagte sie, »müssen wir miteinander reden.«
Kovok-mah neigte den Kopf. »Hai, Muth Mauk.«
Als Dar allen Anwesenden aufgetischt hatte, nahm sie
selbst zum Essen Platz. Der Eintopf schmeckte fad, doch sie befand sich in guter Gesellschaft und aß mit Appetit. Hinterher ging sie zu Kovok-mah. »Lass uns ein bisschen spazieren gehen. Ich möchte mehr über deine Begegnung mit der Großen Mutter der Washavoki erfahren.«
Kovok-mah verneigte sich und stand auf. Dar nahm ihren Umhang und ging ihm zur Tür voraus. Kovok-mah folgte ihr. Schneeflocken tanzten über der dunklen, wie verlassen wirkenden Kaserne. Während sie zwischen den unbewohnten Baracken dahinschritten, erkundigte Dar sich bei Kovok-mah über den Eindruck, den Girta, Bah Simi und die Männer der Königin auf ihn machten. Kovok-mahs Beobachtungen waren zwar präzise, gaben ihr aber kaum Einblick in die Palastintrigen. Was Verschwörungen anbetraf, war Kovok-mah so naiv wie ein Kind.
Als Dar alles erfahren hatte, was er ihr mitteilen konnte, nahm sie seine Hand und zog ihn zu einer leeren Baracke. Kovok-mah folgte ihr schweigend in das finstere Gebäude.
»Setz dich hin«, sagte Dar.
Kovok-mah nahm im Schneidersitz auf dem festgetretenen Erdboden Platz, und Dar kniete sich auf seinen Schoß, sodass sie einander anschauten. Sie hob eine Hand und streichelte mit den Fingerspitzen vorsichtig seine Wange. »Du warst oft in meinen Gedanken«, hauchte sie.
»Du bist immer in meinem Brustkorb«, erwiderte Kovok-mah. Er sprach sehr leise, doch seine Stimme war voller Sehnsucht.
»Und du in meinem.« Dar schlang die Arme um seinen Hals und ihre Lippen suchten die seinen. Er zögerte nur kurz, dann erwiderte er ihren Kuss.
Dar fieberte vor aufgestauter Leidenschaft. Die Inbrunst, mit der Kovok-mah sich auf ihre Umarmung einließ und
ihre Küsse erwiderte, steigerte ihre Gefühle noch mehr. Ich habe ihm beigebracht, wie man küsst, dachte sie. Und er hat mir gezeigt, wie man liebt. Ihre Ekstase dauerte jedoch nur kurz. Dann schob Kovok-mah sie sanft von sich und sagte mit schmerzerfüllter heiserer Stimme: »Das dürfen wir nicht, Dargu.«
Dar wusste, dass er recht hatte. Ihre Erkenntnis war schrecklich niederschmetternd. Außerdem sah sie in Kovok-mahs Beherrschung einen Beweis für seine Hingabe.
»Dann halt mich nur fest«, sagte sie. »Ich bin die Königin. Steht mir nicht auch ein bisschen Glück zu?«
Kovok-mah nahm sie zärtlich in die Arme. »Dir steht mehr zu als nur ein bisschen Glück, aber ich kann dir nur Kummer bereiten.«
»Nicht du bereitest ihn mir, sondern deine Muthuri.«
»Ich muss ihrer Weisheit gehorchen, auch wenn ich sie nicht verstehe.«
»Niemand versteht sie«, sagte Dar. »Aber das verändert nicht unser Gesetz.« Tränen traten in ihre Augen, doch sie bemühte sich, nicht zu weinen.
Kovok-mah drückte Dar an sich und fragte sich während der ganzen Zeit, ob dieses dürftige Trösten sie beide schon in Gefahr brachte. Der Geruch ihres Atur war in dem kalten, finsteren Haus deutlich zu spüren. Muth’la muss uns vergeben, dachte er. Wir haben uns doch wirklich bemüht, uns anständig zu benehmen. Er wischte vorsichtig Dars Tränen ab, an die er sich noch immer nicht gewöhnt hatte. »Wir wissen noch nicht, wie alles endet«, sagte er leise. »Vielleicht kommen wir doch noch zusammen.«
Dar versuchte ein Lächeln. Sie wusste, dass Kovok-mah es in der Dunkelheit sehen konnte. Dann küsste sie ihn zärtlich auf die Stirn. »Dann soll die Hoffnung uns glücklich machen.«
Die Kälte trieb Dar bald darauf aus dem leeren Gebäude und in die Wärme zurück, in der ihre Schwester und die Mintari sie erwarteten. Sie zweifelte zwar nicht daran, dass ihr Geruch ihre Gefühle verriet, aber sie war sich ebenso sicher, dass alle längst darüber Bescheid wussten. Kurz nach der Rückkehr legte sie sich hin und beruhigte sich, indem sie sich ausmalte, dass Kath-mah es sich
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