Herrscher
du wirklich gesagt, es ist ein Festmahl?«
»Ja, Majestät«, erwiderte Lokung. »Sie hat gesagt, in diesem Fall wolle sie Eure Höflichkeit erwidern und Euch bitten, zu ihrer Feste zu reisen, um dort allein mit ihrem Gefolge zu tafeln. Dann hat sie gesagt, sie erwarte für sich und ihr Gefolge königliche Behandlung. Und hinzugefügt, dass sie, wenn man ihr selbiges nicht zugesteht, ihre Garde zurückzieht und abmarschiert.«
»Was hast du geantwortet?«
»Offen gesagt, Majestät, ihre Frechheit hat mich sprachlos gemacht. Dann sagte sie, falls hier niemand die orkische Sprache beherrsche, solle ich mich zu Euren Ork-Gardisten begeben und folgende Worte sagen: ›Futh Muth Mauk pahak sutuk. Kutuk ma.‹ Und dann soll ich die Orks zu ihr führen. «
Girta schaute General Kol an. »Weißt du, was das heißt?«
»Nicht ganz«, erwiderte Kol. »›Muth Mauk‹ bedeutet ›Große Mutter‹. ›Sutuk‹ bedeutet ›kommen‹. Ich nehme an, dass ›kutuk ma‹ so was bedeutet wie ›folgt mir‹.«
Girta wandte sich an den Haushofmeister. »Sag diese Worte zu meinen Ork-Gardisten. Dann bin ich sie los.«
»Nein!«, erwiderte Kol etwas zu laut und fügte, als sei es ihm gerade erst eingefallen, ein bescheidener klingendes »Majestät« hinzu. Über seinen plötzlichen Ausbruch offenbar zerknirscht, verneigte er sich unterwürfig vor der Königin. »Verzeih meine Inbrunst, aber ich fürchte, genau dass will sie nur. Wäre es nicht besser, sie festlich zu bewirten und ihre Gedanken zu erfahren?«
Girta seufzte. »Selbst wenn es bedeutet, all diese Ungeheuer zu empfangen?«
»Die Männer der Königin werden sie sorgfältig im Auge behalten. Ich verspreche Euch, dass Ihr völlig sicher seid!«
Als das Palasttor aufging, wusste Dar nicht genau, wer ihr entgegenkommen würde: feindselige Söldner, zwei entlassene Ork-Gardisten oder Girtas unaufrichtiger Haushofmeister.
Obwohl sie nichts dagegen gehabt hätte, dem Bankett fernzubleiben, war sie erleichtert als sie statt der Gardisten den Haushofmeister sah. Das Spiel ist noch nicht zu Ende, dachte sie.
Lokung verbeugte sich. »Ich bitte um Entschuldigung, Majestät. Ich dummer Tor habe die Botschaft meiner Königin falsch wiedergegeben. Natürlich möchte sie auch Eurem Gefolge die Ehre erweisen. Ich werde euch alle zum Speisesaal führen.«
Dar unterdrückte ein Lächeln. Natürlich durchschaute sie Lokungs freche Lüge sofort. »Wie erfreulich, dass sie deinen Irrtum korrigiert hat. Geh voraus.«
Als Magd in der Palastküche hatte auch sie einst Essen in den Speisesaal getragen, doch immer nur durch einen dem Personal vorbehaltenen Gang. Durch das riesige Portal war sie nie in den prunkvoll ausgestatteten Saal gelangt. Als Dar über die Schwelle des reichhaltig verzierten und vergoldeten Portals schritt, rief Lokung mit weithin dröhnender Stimme: »Muth Mauk, Königin der Orks und Freundin und Verbündete unserer Allergnädigsten Majestät!«
Der Raum war voller Menschen. Alle richteten den Blick auf sie. Dar erwiderte die Blicke und erspähte Girta gleich darauf, denn sie stand an einer Stelle, an der man sie nicht übersehen konnte. Neben ihr ragte ein in Schwarz und Gold gekleideter Mann auf. Dar erkannte ihn wieder. Murdant Kol! Dann korrigierte sie sich. General Kol, der Vertreter der Königin.
Dar hatte zwar gewusst, dass sie ihn auf dem Bankett sehen
würde, doch fiel ihre Reaktion deswegen nicht weniger stark aus. Sie empfand Furcht, aber auch Zorn. Als ihre Wut Oberhand gewann, schoss ihr das Blut ins Gesicht. Alle Orks rochen es und musterten sie kurz. Dar holte tief Luft und riss sich zusammen. Erst als sie nach außen hin gelassen wirkte, schaute sie Kol ins Gesicht. Sein Blick war so unergründlich wie immer. Dar begab sich zu Girta; sie bewegte sich elegant und zwang sich zu einem Lächeln.
Girta lächelte zwar ebenfalls, wirkte aber nicht so aufrichtig wie Dar. »Wenn man bedenkt«, sagte sie, »dass du, als wir uns zuletzt sahen, mehr tot als lebendig warst, siehst du einfach wunderbar aus, Muth Mauk.«
»So groß ist die Macht der Mutter der Welt«, erwiderte Dar. »Es scheint, dass sie noch Pläne mit mir hat.«
»Deine Genesung freut mich«, sagte Girta. »Und General Kol natürlich auch. Ich glaube, ihr seid euch schon mal begegnet.«
»So ist es«, sagte Dar. »Ist deine Schulter schon verheilt, General?«
Kols Miene verfinsterte sich, doch sein Ausdruck und seine Stimme blieben gelassen. »Oh, ja. Wie nett, dass Ihr Euch danach
Weitere Kostenlose Bücher