Herrscher
sich nicht im Mindesten darum, sondern zerrte seinen Meister aus dem Raum. Als sie zur Treppe gelangten, hatte Balten die Gegenwehr eingestellt.
Sobald die beiden Männer die Wandelhalle erreichten, bot sich Balten ein ungeheuerlicher Anblick: Neben einem Handkarren stand ein schmutziger, ungekämmter Flegel. Nur ununterbrochenes Zucken belebte seine Visage; sonst blieb sie ohne jeden Ausdruck.
Zwei Diener Baltens flankierten ihn. Auch sie zeigten plötzlich eine völlig abwesende Miene. Ein Lehnstuhl war in
der Wandelhalle aufgestellt worden, auf dem das schauerlichste Mitglied des Häufleins saß – ein Mann, der wahrlich und wahrhaftig einem verkohlten Leichnam glich. Über seinen Schoß war ein wertvoller Wandbehang gebreitet.
Trotz seines Grauens fühlte Balten sich zur Entrüstung berechtigt und wandte sich an den Verkohlten. »Wie kannst du es wagen, hier einzudringen? Was hast du mit meinen Dienern angestellt?«
»Sie sind jetzt meine Diener«, entgegnete der Eindringling. Seine Stimme zeichnete sich, obwohl sie rau und heiser klang, durch einen gebieterischen Ton aus. Ein handloser Ärmel zeigte auf einen der Diener. »Schlitz dir die Kehle auf.«
Ohne zu zögern und ohne jedes Anzeichen einer Gefühlsregung holte der Mann ein kleines Messer aus dem Wams und schnitt sich die Gurgel durch. Dann wartete er still, während das Leben ihm entströmte, bis er zusammenbrach. Entsetzt starrte Balten den Toten an.
»Genauso gelassen hätte er deine Kehle durchgeschnitten«, sagte der Mann im Lehnstuhl. »Oder ich hätte dich mir unterordnen und dir den gleichen Befehl geben können.«
»Wer … Wer bist du? Was willst du?«
Der Verkohlte bleckte die Zähne zu einem grauenvollen Grinsen. »Du kennst mich. Ich war der Zauberer des Königs. «
»Othar? Du sollst doch tot sein.«
»Ich bin nicht tot, nur verwandelt. Mein Körper hat gelitten, aber dafür bin ich entschädigt worden. Mit einem Blick kann ich den Geist jeden Mannes unterwerfen und mir vollkommenen Gehorsam sichern.«
Balten wollte schlucken, aber seine Kehle war nun zu trocken. »Hast du vor, auch meinen Geist zu unterjochen?«
»Sklaven sind mir nützlich«, sagte Othar, »nehmen aber
schnell ein solches Ende wie er da: Naggel.« Er deutete auf den Mann mit dem zuckenden Gesicht und dem Speichel am Kinn. »Bisher hat er am längsten durchgehalten, aber es ist fast aus mit ihm. Dich dagegen will ich unversehrt zum Gehilfen haben.«
Balten bemühte sich um ein Lächeln. »Dafür bin ich dir dankbar.«
Othar erwiderte das Lächeln, was grässlich aussah. »Dazu hast du allen Grund.«
»Was sind deine Absichten?«
»Ich erkenne deine Gedanken, deshalb will ich unumwunden deine eigentlichen Fragen beantworten«, sagte der Zauberer. »Ich habe es weder auf deinen Reichtum abgesehen noch auf dein Leben. Im Gegenteil, du wirst großen Nutzen daraus ziehen, wenn du mir zu Diensten bist. Ich werde dich noch reicher machen. Viel reicher. Und ich erledige die Sache mit Maltus. Ich brauche ihm nur in die Augen zu blicken.«
»Woher weißt du über Maltus Bescheid?«
»Vor mir kannst du keine Geheimnisse haben. Ich weiß auch, dass du Corics Frau bockst. Keine Bange, Coric ist’s jetzt einerlei. Du sorgst dich, dein Jüngster könnte nicht dein Kind sein. Zeige mir deine Gattin, und ich finde die Wahrheit für dich heraus. Im Frühjahr hast du einen luveinischen Tuchhändler vergiftet, um dir seine Ware anzueignen. Muss ich noch mehr aufzählen?«
Balten stierte Othar nur stumm an.
»Gut«, sagte Othar. »Ich brauche jemanden, der als mein Strohmann auftritt und sich bei Hofe auskennt, aber unauffällig ist. Ich bleibe im Dunkeln, während du mir Gesicht und Hände ersetzt. Zum Lohn wirst du großen Reichtum erlangen.«
Noch ehe Balten ein Wort sagen konnte, äußerte sich Othar zu seinen Überlegungen. »Denn durch immer größeren Reichtum wirst du mir umso nützlicher werden. Du musst mir nur gehorchen. Reichtümer sind für mich, obwohl viele Diebe in meinem Sold stehen, ohne Bedeutung. Was sie an Beute heranschaffen, Dinge wie diesen Wandbehang, darfst du behalten. Willigst du ein, mir zu dienen ?«
Balten klappte den Mund auf, doch da fiel ihm ein, dass Othar seine Gedanken kannte. »Herr, du kennst meine Antwort schon.«
Erneut schenkte Othar ihm ein grauenhaftes Lächeln. »Du lernst schnell. Das ist gut. Lade Maltus für morgen in dein Haus ein. Irgendein Vorwand genügt. Um dir mein Wohlwollen zu beweisen, will ich unter den Zwist,
Weitere Kostenlose Bücher