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Herz an Herz

Herz an Herz

Titel: Herz an Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer , Sven Ulrich
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Europäer sind bei mir im Tauchkurs. Die Amerikaner kenne ich nur vom Sehen, aber ihr Akzent ist eindeutig. Ich bin hier in einem kleinen Dorf, das eigentlich nur aus einer Straße und ein paar Bambushütten besteht. Es erinnert an eine Westernstadt, die nicht zum Goldsuchen, sondern zum Tauchen errichtet wurde. Diese Insel (die Deutschen nennen sie scherzhaft Koh Tauch!) ist ein Paradies zum Tauchen, und daher befinden sich hier unzählige Tauchschulen. Die Strände sind hübsch, aber Schwimmen ist nicht leicht, da sich das Wasser sehr lange sehr flach ins Meer zieht und spitze Steine und komische Korallen im Sand liegen. Aber zum Schwimmen komme ich sowieso nicht. Vormittags und nachmittags habe ich seit meiner Ankunft Tauchunterricht. Ich weiß nicht, ob Du jemals getaucht bist, aber für mich ist es etwas ganz Neues, und ich bin entsprechend fasziniert. Was heißt fasziniert, ich bin hin und weg! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Da ist das Atmen unter Wasser, die farbigen Fische, der Kutter, der die Taucher aufs Wasser bringt, die Sonne, das Salz auf der Haut, die Kekse, die man nach dem Tauchgang erschöpft, aber glücklich isst, die Gespräche mit den anderen Tauchschülern (ich bin hier der Älteste), das gute und einfache Essen, das Lächeln der Thailänder und, und, und … Ich kann gar nicht glauben, dass ich erst vier Tage hier bin. Noch vor fünf Tagen soll ich in Deutschland gewesen sein? Alles ist so weit weg. Ich fühle mich federleicht, und gleichzeitig könnte ich Bäume ausreißen. Warum habe ich das noch nie in meinem Leben gemacht? Ich dachte immer, es ist schwer, alleine zu reisen, aber ich kenne schon gefühlt hundert Leute, und es macht ungeheuer Spaß.
    Schlafen tue ich übrigens in keinem Hotel, sondern einer spartanischen Holzhütte. Die liegt abseits vom Dorf in einer Art Palmenwald. Auf dem Weg zur Hütte habe ich ständig Angst, dass mir Kokosnüsse auf den Kopf fallen (kein Witz!). Internet-Anschluss gibt es dort genauso wenig wie eine Spülung auf dem Klo. (Ein Eimer mit gefülltem Wasser aus der Dusche ist die Spülung.) Ich muss mich also in einer Tauchpause ins Internet einwählen. Vermisst habe ich es bislang nur Deinetwegen.
     
    Vielen Dank für Deine Mails. Grüße auch von meiner thailändischen Rehaugen-Freundin, die gerade neben mir sitzt und mir mit der linken Hand den Nacken massiert, während sie mit der rechten Hand eine neue Badehose für mich strickt. Das mit der Konfektionsgröße habe ich sie nicht gefragt, denn sie würde mich sowieso nicht verstehen. Was soll’s. Zu Deinen anderen Themen:
    Meine Augenfarbe ist braun, und mein Bayrisch hört sich eher wie ein mildes Münchnerisch an. Alle anderen Fragen müssen leider warten, denn auf mich wartet jetzt ein weiterer Tauchgang. Es wurde ein Walhai in der Nähe gesichtet, und wir hoffen, ihn zu sehen. Ich kann es kaum erwarten und zittere doch vor Angst. Weißt Du, wie groß diese Tiere sind!?
    Bitte schreib fleißig weiter.
    Ich vermisse Dich.
    Dein Tauch-Meister Berti
    ***
    Mo, 05. Dezember  14:14
    Betreff: Sonnige Urlaubsgrüße von Koh Tao
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
     
    Liebe Sara,
     
    das mit der Thailänderin war natürlich ein Scherz! Bei euch Frauen um die 40 weiß man nie so genau, wie es um den Humor bestellt ist. Deswegen schreibe ich es lieber noch mal.
    ***
    Di, 06. Dezember  21:01
    Betreff: Fröhlichen Nikolaus!
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
     
    Mein lieber Flachwitztaucher,
    nein, ich bin noch nie getaucht, komme aber langsam auf den Geschmack bei deinen anschaulichen Schilderungen – abgesehen von der unappetitlichen Vorstellung, dass du dich von einer minderjährigen Asiatin befummeln lässt, natürlich. Vielen Dank auch, dass du mir deine Scherze erklärst. Hat deine Freundin dir denn heute Morgen etwas Süßes in die Flosse getan? Wohl kaum. Nikolaus und Advent dürften für dich gerade keine Rolle spielen.
    Ich hatte heute je ein Bild von Lenny und eines von Lilly in meinen neuen Wildlederstiefeln. Beide haben eine Bilderbuchfamilie mit Mama, Papa, zwei Kindern und Hund vor dem Weihnachtsbaum gemalt. Zugegeben – die Interpretation des Themas hat Lenny etwas avantgardistischer angehen lassen. Dennoch bekam ich beim Anblick der niedlichen Bilder feuchte Augen. Nein, um ehrlich zu sein, kullerten mir dicke Tränen die Wange hinab. Gemeinerweise hat Lilly nämlich über der Mutter die Buchstaben « SARA »

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