wissen, dass ich leider direkt eingeschlafen bin und mich an nichts Anstößiges erinnern kann …
Bis später vielleicht noch mal!
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Mo 12. Dezember 19:05
Betreff: Beichte Nr. 2
Von:
[email protected] An:
[email protected] Okay, okay – du hast nicht geantwortet, weil
ich dich mit meinem Phantasie-Geplänkel verschreckt habe
du in einer modernen Millionen-Stadt wie Bangkok noch kein Internet-Café gefunden hast oder
du sauer bist, dass ich den «Date-Meister» wieder getroffen habe.
Die Wahrheit ist, dass ich den gestrigen Nachmittag wieder – und zwar ganz spontan – mit Jörg verbracht habe. Ich bin sozusagen erneut Opfer von den Verkupplungsdreistigkeiten meiner Schwester geworden und wurde ohne Vorwarnung gezwungen, mit ihr, ihrem Mann Volker und eben Jörg auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Das war zugegebenermaßen recht kurzweilig und eine willkommene Abwechslung in dieser emotional überladenen Adventszeit. Aber Jörg an sich ist wie gesagt weder ein Mann, der mich in der realen Welt interessiert, noch meine Phantasie beflügelt.
Alles Liebe
Sara
PS . Heute hat es das erste Mal geschneit. Und die Flöckchen bleiben sogar liegen! Ich habe mit Lilly und Lenny einen kleinen Schneemann gebaut und ihn Berti Unbekannt getauft.
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Di, 13. Dezember 20:11
Betreff: Es geht zurück, und was erwartet mich da?
Von:
[email protected] An:
[email protected] Liebe Sara,
meine letzte Nacht in Bangkok. Vorerst. Wahrscheinlich werde ich irgendwann mal wiederkommen, weil mir die Tok-Toks (kleine Taxi-Motorräder mit Kabinenaufsatz. Lebensgefährlich!), das Klima und die Atmosphäre der Stadt so gefallen.
Es ist sehr abenteuerlich, alleine durch eine fremde Stadt zu gehen. Ich hätte gedacht, ich würde mich fürchterlich alleine fühlen, aber erst heute, am letzten Abend, ist da ein eigenartiges Gefühl, das mir wie ein Kloß im Magen liegt. Vielleicht hat es mit Deinem Brief zu tun, in dem von Schneefall und Kälte die Rede ist, von einem Schneemann namens Berti … Ein Brief, der mich auch daran erinnert, dass mich zu Hause nichts weiter als eine leere Wohnung erwartet und die – fast schon zu große – Hoffnung auf etwas, das ich nicht mal benennen kann.
Was ist das mit uns, Sara? Sind Gefühle, die sich durch einen Briefkontakt äußern, wirklich echt? Verdammt, sie fühlen sich echt an, aber was, wenn wir uns eines Tages gegenüberstehen und Dir meine Nase nicht gefällt? Wenn ich oder Du falsch riechst? Wenn wir zu große Hoffnungen gehegt haben? War dann alles umsonst? Fällt dann alles wie ein Kartenhaus zusammen? Und was erwartet mich, wenn es tatsächlich zusammenfällt? Noch mehr Leere und Einsamkeit?
Das sind die Fragen, die mir in einer feuchten Nacht in einem Bangkoker Internet-Café durch den Kopf gehen. Neben mir das x-te Tiger-Bier und vor mir ein Computer, von dem schon x Leute ihre Mails geschrieben haben. Der Raum ist zu einer Seite hin offen und führt direkt auf die Straße. Draußen laufen Leute in Flip-Flops, kurzen Hosen und kurzen Hemden herum. Ich sehe ihre lachenden Gesichter. Am Straßenrand werden leckere Getränke und gebratene Heuschrecken angeboten, die gar nicht schlecht schmecken. Das Lächeln der durchaus hübschen Frauen, die hier herumlaufen, wirkt wie ein Versprechen auf eine bessere Welt. Aber ich laufe an jedem Versprechen vorbei, weil ich mich selbst schon versprochen habe – und zwar einer Frau, die ich kaum kenne, deren Aussehen primär in meinem Kopf stattfindet.
Was wird passieren, wenn wir uns treffen, Sara?
Ich gebe hiermit einen Schwur ab: Wenn es nichts wird mit uns, wenn wir ernüchtert sind und nicht das finden, was wir offenbar beide suchen, dann werde ich ein Jahr aussteigen. Ich werde mein letztes Geld zusammenkratzen, meine Mutter umarmen, mein Versicherungsbüro untervermieten und um die Welt fahren. Dann will ich alle Hoffnungen und Versprechungen, die ich mir zurechtgelegt habe, vergessen. Ich werde meine Möbel in einem Lager unterstellen, und wenn ich zurückkomme, werde ich entscheiden, wo und wie und was ich neu beginne. So geht es jedenfalls nicht weiter, wenn es nicht mit uns weitergeht.
Und jetzt ab ins Hotel. Ich werde wohl torkeln.
Viel Liebe
Dein Berti
PS . Wünsch mir Glück, ich habe plötzlich etwas Flugangst!
PPS . Wünsch mir auch so viel Glück.
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Mi 14. Dezember 07:35
Betreff: Herzlich willkommen
Von: