Herz aus Eis
Kane am Fuß der Treppe, blickte dann hoch und sah sie die Stufen herunterkommen. »Geht ihr etwa aus? Edan, dich brauche ich heute noch.« Während er das sagte, hatte er nur Augen für Houston. Die anderen beiden schienen für ihn nicht zu existieren.
»Wir sind unterwegs zum Eßzimmer«, sagte Houston, während sie Ians Arm gewaltsam festhielt. Er versuchte, ihn ihr zu entreißen, als Kane am Fuß der Treppe auftauchte. »Möchtest du denn nicht mit uns dinieren?«
»Jemand muß doch in diesem Haus die Brötchen verdienen«, schnaubte Kane, machte auf den Absätzen kehrt und verschwand in seinem Büro.
Beim Abendessen, während ein Gang nach dem anderen aufgetragen wurde, lenkte Houston das Gespräch auf die Bücher, die Ian in den letzten Tagen gelesen hatte. Das war ein Thema, das am Abend vorher noch nicht gestreift worden war.
Ian wäre fast an einem Stück Lendenbraten erstickt. Seine Onkel, Rafe und Sherwin, hatten ihn stets zum Lesen ermuntert; aber er hatte sich angewöhnt, es im verborgenen zu tun, weil er fürchtete, sonst von den anderen Gruppenarbeitern gehänselt zu werden. »Mark Twain«, sagte er trotzig, nachdem er seinen Bissen hinuntergewürgt hatte.
»Gut«, sagte Houston. »Morgen werde ich für dich einen Privatlehrer bestellen, der dich hier im Haus unterrichtet. Ich halte das für eine bessere Lösung, als dich zur Schule zu schicken, weil du doch schon ein gutes Stück erwachsener geworden bist als die Kinder, mit denen du in einer Klasse zusammensitzen würdest. Zudem möchte ich dich lieber hier bei mir haben.«
Ian war einen Moment sprachlos. »Ich gehe doch nicht in eine Schule und lasse mich auslachen«, haspelte er dann hervor. »Ich gehe zurück ins Lager und arbeite wieder in der Grube . . .«
»Natürlich«, unterbrach ihn Houston. »Und morgen lassen wir erst einmal Maß nehmen, damit die Anzüge, die du in Zukunft tragen wirst, auch passen. Aha, das Sorbett. Ich glaube, das wird dir schmecken, Ian.«
Edan lachte, als er Ians verdattertes Gesicht sah. »Gib es auf, dieser Lady zu widersprechen, mein Junge. Du ziehst bei ihr sowieso den kürzeren.«
»Nur er nicht«, fauchte Ian.
»Er ganz besonders«, antwortete Edan.
Sie wollten gerade mit dem Nachtisch beginnen, als Kane hereinkam. Houston hatte Ian dazu überredet, ihnen die Geschichte von Huckleberry Finn zu erzählen; aber als Kane ins Zimmer trat, hörte er sofort auf zu reden und blickte auf seinen Teller.
»Ihr braucht verdammt lange für euer Essen«, sagte Kane, stellte den Fuß auf einen Polsterstuhl und nahm sich eine Handvoll Weintrauben von der Früchteschale, die in der Mitte des Tisches stand.
Der Blick, den Houston ihm zuwarf, veranlaßte ihn, den Fuß vom Polster zu nehmen und sich auf den Stuhl zu setzen. Sie nickte einem Lakaien zu, der ein Gedeck für Kane auflegte und ihn dann bediente. Nachdem Kane sich von seinem Erstaunen erholt hatte, fiel er mit so großem Appetit über die Schokoladen-Charlotte her, daß die anderen zu essen aufhörten und ihm zuschauten. Da legte Kane seinen Löffel beiseite und sah ein bißchen so aus, als wollte er aus dem Zimmer flüchten.
Edan widmete sich wieder seiner Nachspeise, während Ian immer noch verstohlen zu seinem Vetter hinsah.
Houston hatte den Stuhl am Kopfende der Tafel für Kane geräumt und saß nun neben Ian, Edan gegenüber; doch Kane nahm den ihm angebotenen Platz nicht ein, sondern setzte sich neben Edan. Houston fing seinen Blick auf und hob die Gabel, und Kane begann, ihre stummen Anweisungen zu befolgen, so daß es ihm gelang, die Mahlzeit auf einigermaßen manierliche Art fortzusetzen. Um das Tischgespräch wieder in Gang zu bringen, berichtete Houston von den Fortschritten in den Außenanlagen des Hauses und wie dankbar das japanische Gärtner-Ehepaar für die Gehilfen sei, die sie ihm besorgt hatte.
Kane erzählte, wie er die Nakazonas kennengelernt hatte, und Edan leistete seinen Beitrag zum Tischgespräch, indem er schilderte, auf welche abenteuerliche Weise manche Pflanzen aus den Urwäldern in seine Gewächshäuser gekommen waren. Ian fragte Edan, woher der Baum stamme, der vor seinem Fenster wuchs. Es war alles ein wenig gestelzt; aber es war dennoch ein Erfolg, weil das Gespräch nie abriß und keine Mißtöne aufkamen. Als die Tafel aufgehoben wurde, gingen die vier lächelnd auseinander.
Kane und Edan zogen sich nach dem Dinner wieder in ihr Büro zurück, während Ian und Houston sich in den kleinen Salon begaben. Houston hatte
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