Herz aus Eis
werden schon dafür sorgen, daß Ihr guter Ruf nicht leidet. Sie klopfen mir bestimmt auf die Finger, sollte es mir einfallen, Ihnen zu nahezutreten. Zudem finde ich zunehmend Geschmack an der Idee, zu heiraten, nach allem, was ihr in den letzten Monaten in Kanes Haus erlebt habe. Kommen Sie, Jean, machen Sie den Mund zu und lassen Sie uns gemeinsam zum Einkaufen gehen. Wir müssen vermutlich Möbel und Vorräte und alle möglichen anderen Dinge besorgen, ehe wir daran denken können, dieses Hotel zu verlassen. Glauben Sie, das Personal wird uns dabei helfen, wenn es erfährt, daß es uns dann schneller loswird?«
Jean war viel zu betäubt, um noch widersprechen zu können, als Edan sie hinaufführte zu ihrem Vater, um ihm zu sagen, wo sie hingehen wollten. Schließlich gingen Ian, Jean und Edan in die Stadt zu einem Grundstücksmakler.
Houston saß an Pams Eßzimmertisch und stocherte lustlos in einer Schüssel voll Hafermehlbrei.
Da stürmte Pam ins Zimmer und zog sich die langen weißen Handschuhe aus Ziegenleder aus. »Houston, die ganze Stadt brodelt über vor Gerüchten, was heute nacht passiert ist«, rief sie, ohne erst guten Morgen zu sagen. »Nachdem du das Haus verlassen hast, scheint es erst einmal einen Krach zwischen Kane und Edan in einem Schlafzimmer im ersten Stock gegeben zu haben. Eines von den Dienstmädchen bezeugt, es habe stundenlang gedauert, und dann sei Edan aus dem Haus gestürmt.«
»Edan ist auch gegangen?« fragte Houston mit großen Augen.
»Nicht nur er, sondern auch die Taggerts: Jean, Ian und Sherwin. Und nachdem sie ausgezogen waren, marschierte Kane in das Erdgeschoß hinunter und feuerte das gesamte Personal.«
Houston lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und seufzte tief. »Er hat schon immer gesagt, wir würden ihm nur die Zeit stehlen. Ich vermute, jetzt kann er wieder arbeiten, solange er will. . . oder nach New York zurückkehren und dort arbeiten.«
Pam nahm ihren Strada-Hut ab und zupfte die Straußenfedern auf dem weißen italienischen Stroh zurecht. »Ich habe dir erst die Hälfte erzählt. Edan und Jean quartierten sich im Chandler-Hotel ein und hielten das gesamte Personal die ganze Nacht hindurch in Trab, da Sherwin, soweit ich erfahren konnte, einen Anfall von Atemnot hatte und schon dem Tod auf der Schippe saß. Und heute morgen haben die beiden gemeinsam ein Haus gekauft.«
»Edan und Jean? Wie geht es Sherwin?«
»Was man sich so in der Stadt erzählt, geht es ihm heute morgen erheblich besser. Ja, und Edan und Jean haben vorhin gerade die Stroud-Villa am Ende der Archer Avenue gekauft — du weißt schon, das große Haus gegenüber von Blairs Krankenhaus. Und nachdem sie den Vertrag unterschrieben hatten — Edan bezahlte die Villa in bar —, kehrte Jean in das Hotel zurück und Edan ging ins >Famous< und kaufte dort — ich hoffe, ich habe es richtig behalten — drei Damenblusen, zwei Röcke, einen Hut, zwei Paar Handschuhe und einen größeren Posten Unterwäsche. Diese garstige kleine Nathalie bediente ihn, und sie setzte dem armen Mann so lange zu, bis er zugeben mußte, daß die geheimnisvolle Dame, für die er die Wäsche besorgte, die gleiche Größe habe wie Miss Jean Taggert. Wenn Edan sie nach dieser Enthüllung nicht heiratet, wird ihr Ruf in dieser Stadt nicht mehr viel wert sein.«
Pam hielt einen Moment inne. »Und, Houston, ich kann dich ja schon jetzt darauf vorbereiten, was du sowieso bald in der Chandler Chronicle lesen wirst. Darin steht, daß vermutlich eine andere Frau an all dem schuld wäre, was heute nacht passiert ist.«
Houston nahm die Kaffeetasse hoch. Das Lokalblatt störte sie nicht. Mr. Gates beschwerte sich schon seit Jahren darüber, daß die Lokalzeitung nichts anderes wäre als eine Klatschpostille, die aus dem Ausland nur bizarre Todesfälle berichtete und wo die herzoglichen Familien Englands den Winter verbrächten. Er hatte die Zeitung abbestellt, als sie auf der zweiten Seite das Interview mit einem Italiener brachte, der die angelsächsischen Frauen zu den besten Küsserinnen der Welt erklärte.
»Wo hast du denn das alles erfahren?« fragte Houston.
»Wo wohl — natürlich in Miss Emilys Teestube.«
Fast wäre Houston in diesem Moment an einem Schluck Kaffee erstickt. Die Schwesternschaft!, dachte sie. Sie mußte eine außerordentliche Versammlung einberufen und den Mitgliedern mitteilen, daß Jacob Fenton von ihren Verkleidungen und widerrechtlichen Aktionen in den Kohlegruben wußte. Es genügte ein
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