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Herz aus Eis

Titel: Herz aus Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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übergeben, als sie aus dem Förderkorb stiegen.
    »Es ist der Gestank«, sagte ein Mann, der Kane beim Abladen half. »Der Geruch der Toten im Stollen ist so schlimm, daß die Männer ihn nicht ertragen können.«
    Einen Moment lang stand Kane wie erstarrt da und sah zu den sich erbrechenden Männern hinüber; dann lief er zu einem gesattelten Pferd, das in der Nähe angebunden war, schwang sich auf dessen Rücken und sprengte im vollen Galopp den Berg hinunter, geradewegs auf Jacob Fentons Haus zu.
    Er hatte die Auffahrt der Villa nicht mehr betreten, seit ihn Fenton gefeuert und er nach Kalifornien gegangen war; aber ihm war alles noch so sehr vertraut, als hätte er das Haus niemals verlassen. Er machte sich nicht die Mühe, erst anzuklopfen, sondern trat mit dem Fuß die Bleiglasfüllung der Tür ein und ging durch die geschlossene Tür, die fast aus den Angeln fiel.
    »Fenton!« brüllte er, während die Diener aus allen Richtungen herbeieilten. Zwei Lakaien packten ihn bei der Schulter, um ihn zurückzuhalten, doch er schüttelte sie ab, als wögen sie nichts. Er kannte die ungefähre Lage der Zimmer im Erdgeschoß, und als er ins Eßzimmer trat, sah er Jacob Fenton allein am Tisch sitzen und einen späten Imbiß zu sich nehmen.
    Sie sahen sich einen Moment an, Kane mit kirschrotem Gesicht und vor Wut wogendem Brustkasten.
    Jacob entließ die Diener mit einer Handbewegung. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß du zum Dinner hierhergekommen bist«, sagte er gelassen, während er sich Butter auf eine Semmel strich.
    »Wie kannst du hier am Tisch sitzen, während die Leute, die du umgebracht hast, oben auf dem Berg aus der Grube geholt werden?«
    »Ich bin da anderer Meinung, wenn du erlaubst. Ich habe sie nicht umgebracht. Tatsächlich habe ich alles getan, was in meiner Macht steht, um sie am Leben zu erhalten; doch sie scheinen eine selbstmörderische Veranlagung zu haben. Kann ich dir einen Wein anbieten? Es ist ein vorzüglicher Jahrgang.«
    Kane war noch ganz erfüllt von den Eindrücken der letzten Tage. Das Wimmern der Kinder und das Weinen der Frauen lagen ihm in den Ohren, und es war ihm, während er tonnenweise Nahrungsmittel zur Unglückszeche transportierte, gar nicht bewußt geworden, daß er seit zwei Tagen nichts mehr gegessen hatte. Nun übten die Stille des Hauses, die Sauberkeit dieses Zimmers und der Geruch der Speisen eine fatale Wirkung auf ihn aus. Ihm wurde schwindlig, und er mußte sich an der Tischkante festhalten.
    Jakob stand auf, goß ihm ein Glas Wein ein, zog für ihn einen Stuhl unter dem Tisch hervor und stellte das Glas vor Kanes Platz auf die Tischdecke. Kane bemerkte nicht, wie sehr Jacobs Hand zitterte, als er ihm den Wein einschenkte.
    »Ist es sehr schlimm?« fragte Jacob, während er zur Anrichte ging, einen Teller nahm und ihn mit Speisen füllte.
    Kane gab keine Antwort, ließ sich auf den Stuhl sinken und starrte das Weinglas an. »Warum?« flüsterte er nach einer Weile. »Wie konntest du sie nur umbringen? Was kann den Tod dieser Menschen rechtfertigen? Warum konntest du dich nicht mit dem Geld zufriedengeben, das du mir gestohlen hast? Warum mußtest du noch mehr haben? Es gibt andere Methoden, sein Geld zu vermehren.«
    Jacob stellte den gefüllten Teller von Kane auf den Tisch; doch der jüngere Mann faßte ihn nicht an.
    »Ich war vierundzwanzig Jahre alt, als du geboren wurdest, und ich war damals fest überzeugt, daß mir das alles auch gehörte, mit dem ich großgeworden war. Ich liebte den Mann, den ich für meinen Vater hielt. . . und ich dachte, daß auch ich ihm etwas bedeutete.«
    Jacob drückte die Schultern durch. »Mit vierundzwanzig neigt man noch dazu, ein Idealist zu sein. An dem Abend, als Horace sich umbrachte, mußte ich erkennen, daß ich ihm gar nichts bedeutete. In seinem Testament stand, daß ich dein Vormund sein durfte, bis du einundzwanzig wärst, und dir dann alles zu übergeben hätte. Ich sollte dann aus dem Haus gehen — und alles, was mir dann noch gehörte, waren die Kleider auf meinem Leib. Ich glaube nicht, daß du ermessen kannst, wie sehr ich in jener Nacht den plärrenden Säugling haßte, der mein ganzes Leben ruiniert hatte. Ich glaube nicht, daß ich einen klaren Kopf hatte, als ich dich zu einer Amme auf eine Farm bringen ließ und dann die Anwälte bestach, um das Testament zu fälschen. Dieser Haß hat mich jahrelang aufrechterhalten. Ich war besessen von diesem Haß. Wenn ich ein Papier unterschrieb, dann immer in dem

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