Herz aus Eis
erheben nie ihre Stimme, wenn sie es mit einem echten Gentleman zu tun haben; aber Männer, die rotkarierte Anzüge tragen wollen, müssen sie schon mit gröberen Mitteln bearbeiten.«
Kane hatte sie nach dieser Bemerkung zwar grollend angesehen, jedoch keine Widersprüche mehr erhoben. »Also gut, ich werde mir einen Anzug machen lassen, wie du ihn haben willst, und ich werde zu deiner verdam . . . deiner wunderbaren Teeparty gehen. Aber was alle weiteren Parties betrifft, kann ich heute noch nichts versprechen.«
»Wir werden darüber immer von Tag zu Tag entscheiden«, sagte sie. Sie fühlte sich plötzlich schrecklich müde. »Ich muß nach Hause. Meine Eltern werden sich schon Sorgen machen.«
»Komm hierher!« befahl er und deutete auf die Seite des Schreibtisches, an der er saß.
Sie glaubte, er wollte ihr ein Papier oder Dokument zeigen, und kam seiner Aufforderung nach. Er packte sie grob beim Handgelenk und zog sie auf seinen Schoß. »Da du dich zu meiner Lehrerin berufen fühlst, sollte ich dir eigentlich auch einige Nützlichkeiten aus meinem Erfahrungsschatz beibringen.«
Er fing an, ihren Nacken zu küssen. Sie wollte Protest dagegen erheben; aber irgendwie versagte ihr die Stimme. Bis Edan von der Tür her sagte:
»Kane — entschuldige, daß ich störe.«
Ohne viel Umstände schob Kane sie von seinem Schoß herunter. »Wir setzen das morgen fort, Honey«, sagte er, als wäre sie irgendein Straßenmädchen. »Aber jetzt gehst du nach Hause. Ich habe zu arbeiten.«
Houston schluckte die Entgegnung hinunter, die ihr auf der Zunge lag, bekam vor Verlegenheit ein rotes Gesicht, verabschiedete sich von den beiden Männern mit einem gemurmelten »Gute Nacht« und verließ das Haus.
Nun, da sie müde, hungrig und von diesem Gefühl gepeinigt, das halb Ärger, halb Verlegenheit war, nach Hause fuhr, erwartete sie dort die Familie, der sie erklären mußte, daß sie diesem berüchtigten Mr. Kane Taggert ihr Jawort gegeben hatte.
Warum? fragte sie sich, während sie das Pferd so stark abbremste, daß es nur noch im Schneckengang durch die Straßen schlich. Warum, in aller Welt, bin ich bereit, einen Mann zu heiraten, den ich nicht liebe, der mich nicht liebt, mich alle zwei Minuten bis aufs Blut reizt und behandelt wie eine Ware, die er gekauft und teuer bezahlt hat?
Die Antwort kam prompt:
Weil er dir das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Weil er dich braucht.
Blair hatte erst neulich zu ihr gesagt, als sie noch Kinder waren, hätte sie sich mit den stärksten Jungen Schneeballschlachten geliefert; doch Duncan und Leander sei es gelungen, ihre Vitalität zu ersticken. Vor vielen Jahren hatte sie gelernt, daß es bequemer ist, den Männern nachzugeben, ruhig zu sein, damenhaft und fügsam. Eben solch eine Frau zu sein, wie Männer sie gern haben wollten.
Aber es hatte Zeiten gegeben — bei Empfängen, Diners und Parties —, wo sie sich vorgekommen war wie ein Wandgemälde: hübsch anzusehen, aber total überflüssig, was das Alltags-Wohlbefinden eines Menschen betraf. Sie hatte sogar einmal etwas in diesem Sinn zu Leander gesagt, der ihr darauf einen Vortrag hielt, wie sehr das Leben ohne Kunstgegenstände an Qualität einbüßte.
Doch am Ende hatte Lee Houstons ruhige, heitere Schönheit gegen eine Frau eingetauscht, die seinen Körper in Brand steckte.
Kane Taggert erweckte Gefühle, die sie noch für keinen Mann empfunden hatte. Lee hatte einen ausgezeichneten Geschmack, was Kleidung und Möbel betraf. Er hätte das Haus, das er für sie beide gekauft hatte, ohne weiteres selbst einrichten können. Doch Mr. Taggert hätte — ohne sie — überhaupt nicht gewußt, was er machen sollte. Er konnte nicht einmal die Möbel aufstellen, die andere für ihn gekauft hatten.
Houston dachte an ihre Schulzeit — an die harte Ausbildung, die sie dort genossen hatte. Blair schien zu denken, ihre Schwester hätte dort nichts anderes getan, als Tee zu trinken und Blumen zu arrangieren; doch Houston erinnerte sich, wie oft Miss Jones mit ihrem Lineal den angehenden Damen auf die Finger geklopft hatte, wenn sie einen Fehler machten.
Bei Lee war sie gezwungen gewesen, sich immer so zu verhalten, wie sie es auf ihren Schulen gelernt hatte; denn Lee wäre der geringste Fehler in ihrem Benehmen sogleich aufgefallen. Aber bei Mr. Taggert konnte sie sich aufführen, wie sie es für richtig hielt. Heute hatte sie ihn sogar angeschrien. In den vierzehn Jahren ihrer Bekanntschaft mit Lee hatte sie nicht ein
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