Herz aus Eis
»Mehr kann ich wohl nicht von dir verlangen. Nur - ist Geld für dich schon immer so wichtig gewesen, Houston? War dir das Leben, das du in diesem Hause geführt hast, zu ärmlich?«
»Glaubst du, sein Geld gehört zu den anderen Gründen, die mich bewegen, ihn zu heiraten?«
»Natürlich.« Er zeigte sich überrascht. »Was könnte dich wohl sonst dazu verleiten, dieses häßliche Ungetüm zu heiraten? Wenn er nicht so viel Geld hätte, würde kein Mensch auch nur ein Wort mit ihm reden. Er wäre wie die anderen Vertreter seiner Familie ein unbekannter Minenarbeiter, dem man nicht mal die Uhrzeit sagen würde, wenn er darum bittet.«
»Er würde nur ein namenloser Bergarbeiter sein?« erwiderte sie. »Hast du vergessen, daß er als Stallbursche begann, aber inzwischen Millionen verdient hat? Niemand hat sie ihm geschenkt. Vielleicht gefällt mir der Mann, der in ihm steckt — der sich aus dem Stallmist emporgearbeitet und im Leben etwas erreicht hat. Ich habe in meinem Leben nichts anderes erreicht, als zu lernen, wie man sich richtig anzieht.« Und er braucht, was ich gelernt habe, setzte sie in Gedanken hinzu, während ihr ein warmer Schauer über den Rücken rieselte.
»Was sollte eine Lady denn sonst wissen?« fragte Duncan.
»Frauen schreiben heutzutage Bücher. Sie . . .« Sie hielt inne und tat dieses Thema mit einer Handbewegung ab. »Ich wundere mich, wieso sich niemand fragt, weshalb ein so reicher Mann wie Mr. Taggert eine Frau aus den Bergen von Colorado heiratet. Er könnte eine Prinzessin haben.«
»Du bist eine Prinzessin«, sagte Duncan gereizt.
Houston lächelte ihm zu, während sie zur Tür ging. »Ich muß jetzt gehen. Mr. Bagly erwartet mich. Ich muß die Garderobe für meinen zukünftigen Mann zusammenstellen und ein zweites Brautkleid bestellen, daß zu dem anderen paßt. Ich bin sicher, Blair hat noch nicht daran gedacht.«
»Nein, an solche Sachen denkt sie bestimmt nicht«, sagte Duncan und langte in seine Jackentasche. »Der Direktor von der Bank kam gestern hierher und hat das dagelassen.« Er reichte ihr ein Stück Papier.
Es war ein Kontoauszug mit dem Datum von gestern. Zweihundertundfünfzigtausend Dollar waren an diesem Tag auf ihren Namen in der Bank eingezahlt worden.
Houstons Hand zitterte ein wenig, als sie die Klinke niederdrückte. »Vielen Dank«, murmelte sie. »Vielen Dank für alles, und ich werde tun, worum du mich gebeten hast.« Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ sie das Zimmer.
Sie war schon auf der Treppe, ehe sie ihren Atem wiederfand. Sie blieb stehen und betrachtete noch einmal den Kontoauszug. Er hatte gesagt, er wollte ein Konto für sie errichten und >etwas< Geld einzahlen. Was er auch für Fehler haben mochte, Mangel an Großzügigkeit gehörte bestimmt nicht dazu. Sie hielt sich den Mund zu, damit sie nicht laut lachte vor Entzücken, und eilte die Treppe hinauf, um sich zum Ausgehen anzukleiden.
Eine Stunde später saß sie in Mr. Baglys kleinem Atelier, umgeben von Schnitten und Stoffproben. Zu den Dingen, die sie auf ihren Schulen für angehende Damen gelernt hatte, gehörte auch die Kunst, einen Mann richtig zu kleiden — auch wenn sie nur dazu führte, daß man sich mit dem Kammerdiener des Ehemannes über Anzüge streiten konnte.
»Er braucht ein Dutzend Anzüge für das Geschäft«, sagte sie zu Mr. Bagly, während der Assistent fieberhaft mitschrieb. »Aus dieser hellfarbenen Wolle, dem graukarierten Oxford, dem Angola und diesem schweren blauen schottischen Tweed . . . fürs erste.«
»Und als Abendanzug?«
»Diesen schwarzen Kammgarn mit einer Weste aus weißem Pikee.«
Sie wählte jetzt die Anzüge für Freizeit und Sport aus, wollte sich erst für Kniebundhosen für den Golfplatz entscheiden und ließ es dann bleiben. Dann kamen die Anzüge für den Nachmittagsempfang an die Reihe und schließlich der Anzug für seine Hochzeit, ein schwarzer Cutaway.
Nachdem das erledigt war, wurden die Hemden, die Schals, die Handschuhe ausgesucht. Dann ein großer Vorrat an Unterwäsche aus gezwirnter Baumwolle, Taschentücher aus weißem Leinen, Socken aus Balbriggan.
»Sollen wir mit den Hüten noch warten?«
»Ja«, sagte Houston, »und mit den Stöcken auch.« Sie blickte auf die kleine goldene Uhr, die an ihrem Mieder befestigt war. »Ich muß jetzt gehen. Kann ich den Anzug schon mitnehmen?«
Nachdem Mr. Bagly den neuen Anzug und einen kompletten Satz Accessoires eingepackt hatte, dazu noch etliche Paar Schuhe aus seinem Lager,
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