Herz aus Feuer
Paris vergessen? Und in Venedig! Und in Florenz! Denke an die Vollmondnächte in Florenz!«
»Ich bin nie in Florenz gewesen«, sagte Lee, während er sie am Arm packte und vom Felsblock herunterzog. Und als sie sich nicht von der Stelle bewegen wollte, warf er sie einfach über die Schulter und rutschte den Hang hinunter, bis er Blair hinten am Rock zu fassen bekam. Dank der ausgezeichneten Arbeit von J. Cantrell und Söhne hielten die Nähte stand. Er zog in die eine Richtung, Blair in die andere, und schließlich saß er auf dem Felsboden und zog Blair auf seinen Schoß.
Er war sich durchaus bewußt, was für einen seltsamen Anblick er bieten mußte mit einer Frau über der Schulter und der anderen auf seine ausgestreckten Beinen. Als Françoise zu zappeln anfing, gab er ihr einen kräftigen Schlag auf die Kehrseite. »Du hältst dich da raus!«
»Wenn du mich an dieser Stelle berührst, muß ich gehorchen«, sagte Françoise mit schnurrender Stimme.
Blair versuchte aufzustehen; aber Lee hinderte sie daran.
»Blair«, begann er; aber sie wollte ihn nicht ansehen. »Ich habe diese Frau noch nie gesehen. Ich meine, ich kenne sie erst seit einer Viertelstunde. Ich habe sie nicht in Paris kennengelernt. Ich habe vor dir noch nie eine Frau geliebt, und ich habe dich geheiratet, weil ich mich in dich verliebte.«
»Liebe?« sagte Blair und drehte sich zu ihm um. »Dieses Wort höre ich jetzt von dir zum erstenmal.«
»Ich habe es schon öfter gesagt; aber du hast nie zugehört. Du warst viel zu sehr damit beschäftigt, mir zu erklären, daß ich in Houston verliebt sei. Ich habe sie nie geliebt, und ganz bestimmt nicht diese . . . diese . . .« Er blickte auf die üppige Kehrseite seiner zappelnden Last, die seine Schulter arg strapazierte. Er schüttelte sie ab ; ließ aber das Handgelenk der Französin nicht los.
Blair begann, sich gegen Lees Brust zu lehnen. Vielleicht sagte er die Wahrheit. Jedenfalls wollte sie ihm glauben.
»Du kannst sehr gut lügen, Leander«, sagte Françoise. »Ich entdecke einen ganz neuen Zug an dir. Aber wir kennen uns ja nur in einer Beziehung, und da um so besser.« Sie lehnte sich gegen ihn. »Wie gut wir uns da kennen — oh, lala!«
Blair versuchte, sich wieder von Lees Schoß zu erheben; aber er hielt sie mit beiden Händen fest. Doch dann, als er einen Blick auf Blairs Gesicht warf, seufzte er schwer, packte beide Frauen beim Handgelenk und trottete mit ihnen wieder bergauf.
Blair folgte ihm; aber nur widerstrebend. Es war eine lange und harte Kletterpartie. Sie mußten über umgestürzte Bäume steigen und manchmal darunter hinwegkriechen. Die Luft wurde immer dünner, je höher sie kamen, und sie kämpften mehr um den nötigen Sauerstoff als mit den Schwierigkeiten des Geländes.
Die ganze Zeit über ließ Lee kein einziges mal Françoises Handgelenk los, und wenn er Blair helfen wollte, schlug sie seine Hand weg.
Die Blockhütte war zwischen zwei steilen Bergsätteln errichtet worden und so gut versteckt, daß sie zweimal an ihr vorbeiliefen, ehe sie sie entdeckten. Und dann stand sie plötzlich vor ihnen, als wäre sie soeben vom Himmel gefallen.
Das Plateau, auf dem sie sich befand, war nicht groß, und schon nach wenigen Schritten stand man am Rand einer Steilwand. Doch die Aussicht von hier oben war atemberaubend. Das knöcheltiefe Gras war mit in drei Farben blühenden Gänseblümchen gesprenkelt, und hinter der Hütte verströmten Heckenrosen ihren Duft.
Der Boden des Bergwaldes, der jahrhundertelang aus verwitternden Pflanzen eine Humusschicht bilden konnte, federte weich, so daß er das Geräusch ihrer Schritte verschluckt hatte. Lee sagte kein Wort; gab nur Blair ein Zeichen, daß sie auf Françoise aufpassen sollte, während er nachsah, ob die Hütte leer war. Als er sich vergewissert hatte, daß ihnen hier keine Gefahr drohte, winkte er den beiden Frauen, in die Hütte zu gehen.
Es war eine ganz gewöhnliche Blockhütte: zwei Räume mit einem kleinen Speicher über der Tür, schmutzig vom jahrelangen Gebrauch durch achtlose Menschen und Tiere, die hier bei einem Unwetter Zuflucht gesucht hatten; aber immerhin ein Platz, an dem sie nicht gesucht wurden.
Blair sah teilnahmslos zu, wie Lee Françoise an einen der Stützbalken in der Hütte festband, sie aber nicht knebelte und ihr auch nicht die Beine fesselte, damit sie sich bewegen konnte.
Er hielt zwar ein Tuch in der Hand, mit der er ihr den Mund zubinden wollte, brachte das aber offenbar nicht
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