Herz aus Feuer
es tun. Er gab mir am Abend deiner Hochzeit sein Wort, daß er mich freigeben würde, verstehst du?«
»Ah — deshalb hat er mich also verlassen und ist zu Ihnen gegangen«, sagte Blair. »Nur bin ich jetzt frei, und Sie sind an diesen Pfeiler gefesselt. Aber ich bin sicher, es wird sich für alles eine Lösung finden lassen. Entschuldigen Sie mich — ich glaube, ich muß einen Moment hinaus in die frische Luft.«
Als Blair durch die Tür ins Freie trat, hatte sie ein Gefühl, als sei sie zwanzig Pfund leichter geworden. Sie fühlte sich frei, unbeschwert und glücklich. Ganz gleich, was Lee zu ihr gesagt hatte: Sie war noch immer im Zweifel gewesen, ob nicht doch eine Beziehung zwischen ihm und der Französin bestanden hatte. Doch nun war Blair überzeugt, daß er ihr die Wahrheit gesagt hatte.
Sie setzte sich neben ihn, sagte kein Wort und lauschte dem Wind, der über ihr mit den Eschen spielte.
»Sie kannte Houstons Namen nicht«, brach sie schließlich das Schweigen, und als er sie neugierig ansah, fuhr sie fort: »Sie hat — im Gegensatz zu mir — immer eine Rolle in deinem Leben gespielt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand aus deinem Bekanntenkreis ihren Namen nicht kennt. Allein schon von den vielen Briefen, die sie dir seit Jahren schrieb.«
Lee legte den Arm um sie. »Mir mißtraust du; aber ihr glaubst du«, sagte er kopfschüttelnd. »Nun ja«, setzte er lächelnd hinzu und seufzte, »ich muß mich eben mit dem zufriedengeben, was ich bekomme.«
Sie lehnte sich gegen ihn, und so saßen sie eine Weile stumm beisammen und lauschten dem Wind. Blair dachte daran, wie sie fast um diesen Moment gekommen wäre. Hätte sie ihren Kopf durchgesetzt, wäre sie nun in Pennsyl-vania mit Alan. Alan, der noch nicht einmal ein richtiger Arzt war und wahrscheinlich nie so gut werden würde wie Leander. Alan, der nicht wußte, an welchem Ende man einen Revolver anfassen mußte; Alan, der vermutlich zum Sheriff gelaufen wäre und niemals versucht hätte, seine Frau selbst zu befreien.
»Vielen Dank, daß du mich gerettet hast«, sagte sie, und meinte damit nicht nur ihre Entführung.
Lee drehte ihr das Gesicht zu und schob sie dann von sich fort, als habe sie sich in ein Gift verwandelt. »Ich möchte, daß du dich jetzt dort drüben unter den Baum setzt«, sagte er, und seine Stimme schien dabei merkwürdig zu vibrieren. »Ich möchte mit dir reden; und das kann ich nicht, wenn du mir so nahe bist.«
Blair fühlte sich von seinen Worten so geschmeichelt, daß sie auf allen vieren zu ihm kroch, bis ihr Gesicht ganz dicht vor dem seinen war. »Vielleicht bereust du jetzt, daß du mich in der Nacht am Montag alleingelassen hast«, sagte sie, mit ihren Lippen nur ein Hauch von seinem Mund entfernt.
Lee zuckte zurück. »Geh!« befahl er, diesmal im drohenden Ton. »Ich kann nicht gleichzeitig Wache halten und dich . . . nun ja. Also setz dich dort drüben hin und hör mir zu.«
Blair gehorchte diesmal; aber dabei liefen ihr wohlige Schauer über den Rücken. In ein paar Stunden würde Taggert mit dem Sheriff in den Bergen eintreffen und die Banditen festnehmen. Dann konnte Lee ihm Françoise übergeben, und sie würden endlich allein sein. Sie dachte an ihre erste und bisher einzige gemeinsam verbrachte Nacht, und als sie durch die gesenkten Wimpern zu ihm hochsah, hörte sie, wie er den Atem anhielt.
Sie war sehr zufrieden mit sich, als sie nun zur Seite schaute.
»Während du in der Hütte warst, hatte ich Zeit, mir einen Plan zu überlegen, der vielleicht funktionieren könnte«, sagte Lee und blickte dabei hinüber in den Wald. »Zu diesem Plan gehört, daß du dieser Frau zur Flucht verhilfst.
Ich werde heute abend etwas sagen, daß sich so anhört, als wollte ich mich heimlich mit Françoise aus dem Staub machen. Vielleicht könnten wir sogar einen Streit anfangen. Ich bin sicher, daß du als streitsüchtige Ehefrau eine überzeugende Vorstellung gibst.« Er blickte wieder zu ihr hin und flüsterte: »Was, zum Henker, machst du denn da?!«
»Mein Strumpfband war locker«, sagte Blair mit einem unschuldigen Augenaufschlag, während sie ein schlankes Bein hob und den schwarzen Baumwollstrumpf in die Höhe zog. Zu bedauerlich, daß sie keine seidene Unterwäsche trug, dachte sie bei sich. Vielleicht hatte Houston doch recht, wenn sie großen Wert auf ihre Kleidung legte. Zweifellos trug Houston während ihrer Flitterwochen nur hauchdünne Seide unter dem Rock.
»Blair«, sagte Lee, »du
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